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und Geräten, besonders aber bei den Prachtwagen und den berühmten Schlitten
des Königs der Fall, wo ihr Meister Gedon die ganze Fulle seiner Phantasie
spielen ließ.

Wirklich Nenes ward nur bei dem phantastisch knhnen Bau von Neuschwan-
stein erreicht, weil dieser im romarlischen Stil aufgeführt ward, wo fürs Jnnere außer
der ja auch ganz renovierten Wartburg kaum viel Vorbilder vorhanden waren. — Jeden-
falls macht das 1867—68 begonnene anf steiler Felsklippe inmitten der großartigsten
Bergwildnis erbaute Schloß, von dem freilich nur der eigentliche Palas und Berg-
fried fertiggestellt ward, Kemenate und Vorbnrg samt Thorbau unvollendet blieben,
immerhin einen der umgebenden Natnr entsprechenden müchtigen Eindruck, weil man
hier die Aussicht auf drei Seen und ein nngeheures Flachland vor sich, das höher
ansteigende Gebirge im Rücken hat. — Der ursprüngliche Entwurf rührte von dem
begabten Hoftheatermaler Janck her, der dann freilich von Dollmann erst umgear-
beitet werden mußte, um ausführbar zu werden. — Hier wird man nun auf Schritt
und Tritt an des königlichen Bauherrn Freundschaft für Richard Wagner erinnert,
da dieselbe Romantik die Komposition wie die märchenhafte Pracht der Ausführnng
beherrscht und selbst die gebranchten künstlerischen Mittel eine große Verwandtschaft
nnt der sinnbethörenden Gewalt der Wagnerschen Musik zeigen, denn auch sie sind
wesentlich koloristische, bernhen anf der Gewalt der Stimmung. Besonders ist in
der ungehener reichen Ornamentation das Flimmernde, wie es die orientalische Kunst
ja mit Vorliebe braucht, nuch hier durchweg znr Erzeugung berauschender Wirkungen
benutzt, etwa sv wie es ein Vierteljahrhundert früher Hansen in seinem Treppen-
hans des Waffenmusenms in Wien verwendete. Hier allein hat auch die sast durch-
weg Wagnersche Stoffe, die Mythen des Parzifal rc. benutzende Malerei in den
Bildern von Aug. Spieß, Widnmann, Schwoiser, Ferd. Piloty wirklich Erfreuliches
geleistet, wo man denn sreilich die Einwirkung der im benachbarten Hohenschwangau
ausgeführten Kompositionen Schwiuds überall wahrnimmt, glücklicherweise vereint mit
weit besserem Kolorit.

Ähnliches wie vom Linderhof kann man vom größten dieser Schlösser, dem
1878 begonuenen Prachtban zu Herrenchiemsee sagen, nur daß hier die geistige Er-
krankung des Bauherrn bereits viel dentlicher heraustritt. Zunüchst in dem leitenden
Gedanken einer Nachahmung des Versailler Schlosses selber und dann ganz beson-
ders beleidigend in den widerwärtigen Verherrlichungen des Roi soleil, denen man
leider auf Schritt und Tritt begegnet, wie den hier ebenso verletzenden als sinnlosen
Kopien seiner Siege über fremde Völker, ja selbst über das deutsche. Bei einem
Fürsten dessen deutsch-patriotische Gesinnung wenigstens früher zweifellos war, ist
das in dieser Hinsicht hier Gebotene der schlagendste Beweis für seine bereits weit
vorgeschrittene geistige Störung. Weit eher kann man sich wundern, daß er Künstler
fand, die Dinge malten wie manche der hier dargestellten, statt sich zu weigern, der-
gleichen auszuführen, wie das bei Völkern mit stärker entwickeltem nationalem Ehr-
gefühl, vorab in Frankreich selber, unzweifelhaft geschehen wäre. — Selbstverstünd-
lich übertrifft denn auch gerade die architektonische und dekorative Leistung die sehr
mittelmäßige malerische und plastische bei weitem, da man dieser die Unlust und die
bestündige Hetze der Künstler nur zu deutlich ansieht. Dagegen ist die Architektnr
besonders bei den Teilen, wo sie wie beim Treppenhaus nicht aufs Kopieren
fremder Muster, sondern auf freies Schaffen angewiesen war, in ihrer Art oft muster-

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