Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Syrlin, Jörg; Pée, Herbert [Hrsg.]
Das Ulmer Chorgestühl: 1468 - 1474 — Werkmonographien zur bildenden Kunst in Reclams Universal-Bibliothek, Band 82: Stuttgart: Reclam, 1962

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.65316#0012
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
IV

Das Chorgestühl ist aus Eichenholz geschnitzt und
war bis auf mögliche geringe Tönungen an den
Augensternen und den Lippen der Büsten ungefaßt.
Seine 89 Sitze — zwei wurden an der Südseite fortge-
lassen, um den Eingang in die Bessererkapelle freizu-
halten — ziehen sich in jeweils zwei Reihen an den
Wänden zwischen Choreingang und Beginn des Chor-
runds entlang {Abb. 7). Über einem niederen Sockel er-
heben sich die vorderen Sitze. Durchgänge führen über
zwei Stufen zur hinteren, erhöhten Reihe, über der, von
Baldachinen, Wimpergen und einer Maßwerkgalerie
überfangen, die Rückwand aufsteigt. Niedere Spitzen,
Kreuzblumen und hohe Tabernakel bekrönen das
Ganze, das, zusammen mit dem im Aufbau ähnlichen
Dreisitz, eine reiche und vielseitige Architektur im
Rahmen des großen, steinernen Chorraums bildet. Ge-
meinsam mit dem im Bildersturm zerstörten Hochaltar
Syrlins und Michel Erharts und den erhaltenen alten Fen-
stern gab das Chorgestühl dem Raum einen erhabenen,
ernsten und festlichen Charakter, der auch heute noch
eindringlich zu wirken vermag.
Das Schreinerwerk ist von großer Lebendigkeit, der
volle plastische Klang der unteren Region in ausge-
wogenen Kontrast gesetzt zu dem' linearen Gefüge in
der oberen Zone. Die ornamentalen Felder an den
Durchlässen und am Dreisitz, die Miserikordien unter
den Klappsitzen und die als Köpfe und Fabelwesen
ausgebildeten Knäufe der Stuhllehnen bezeugen die
teilweise hohen dekorativen Fähigkeiten der Schnitzer
(Abb. 2 und 3). Die ganze Aufmerksamkeit aber bean-
spruchen die insgesamt 99 Büsten, die — an der unteren
Sitzreihe vollplastisch und sonst im Relief — dem Ge-
stühl den eigentlichen Wert verleihen und seine Aussage

10
 
Annotationen