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Peek, Sabine
Cottas Morgenblatt für gebildete Stände: seine Entwicklung und Bedeutung unter der Redaktion der Brüder Hauff (1827-1865) — Frankfurt (am Main): Buchhändler-Vereinigung, 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.53628#0013
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PEEK: COTTAS MORGENBLATT FÜR GEBILDETE STÄNDE

anderes Mal, was vorgeschossene Gelder abverdienen sollten.
Wenn ich gegen Cotta klagte, beschuldigte er Haug, es an
Kritik und Wahl fehlen zu lassen - beide hatten Recht.«-2
Haug trat zurück, nachdem er Cotta einen gesalzenen
Abschiedsbrief geschrieben hatte und dieser ihm die Antwort
darauf nicht schuldig geblieben war. Therese Huber wurde
Alleinredakteur. Aber auchihr gelang es trotzEnergic und Be-
gabung nicht, das Morgenblatt in die Hand zu bekommen:
»... auch ihr ließ Cotta nicht uneingeschränkte Freiheit
und selbständige Entscheidung in der Schriftleitung, sondern
verlangte, daß sie ihm vor demDruck alles zurBegutachtung,
vorlegte, was sie zusammengestcllt hatte. Dabei kam es
nicht selten vor, daß die von ihr redigierten Nummern nicht
nur textlich verändert, sondern daß manche der von ihr ge-
billigtenBeiträgegestrichcnund andere eingefügt wurden.«23
1823 stellte ihr Cotta seinen Solin Georg als Mitredak-
teur an die Seite. Als sie noch im November desselben
Jahres nach Augsburg verzog, wohin ihr Cotta das Morgen-
blatt zu verlegen versprochen hatte, was er dann aber nicht
hielt, haben Cotta und Sohn - der ewigen Reibereien wohl
überdrüssig und in Ermangelung eines geeigneten Nachfol-
gers - das Journal incognito alleine weitergeführt24 bis es
nach zwei Jahren so sehr an Rang verloren hatte25, daß sie
sich von der Einsetzung eines jungen und ehrgeizigen Re-
dakteurs, dessen Name - wie einst der Schillers für die
»Horen« - Klang und Zugkraft besaß, Rettung erhofften.
b) Wilhelm Hauff
Mit Wilhelm Hauff berief Cotta 1827 einen blutjungen
Mann in die Redaktion, der aber in der literarischen Welt
bereits »furore« gemacht hatte. In Jahresfrist hatte er den
»Märchenalmanach auf das Jahr 1826« (Nov. 1825), »Der
Mann im Mond« (1826), »Mitteilungen aus den Memoiren
des Satans, I. Teil« (1826) als auch den historischen Roman
»Lichtenstein« (1826) veröffentlicht, der ihm den schmeichel-
haften Ruf eintrug, ein deutscher Walter Scott zu sein.
Auch hatte er den der »Publicity« damals wie heute förder-
lichen öffentlichen Skandal schon erregt: Unter dem Titel
»Der Mann im Mond oder der Ruf des Herzens ist des
Schicksals Stimme« war von ihm eine Parodie auf die süßlich-
frivole Manier des vielgelesenen Modeautors Karl Heun,
22 Brief vom 7. Juni 1816, abgedruckt bei Frieda Höfle, a.a.O., S. 116.
23 Frieda Höfle, a.a.O., S. 121.
24 Das Cotta’sche Hausregiment wurde dem Publikum schamhaft
verborgen. Selbst Julius Kiaiber gibt in der Morgenblattchronik seines
Schlußwortes das Geheimnis nicht preis und entschuldigt die angebliche
Lücke in der geschichtlichen Überlieferung mit dem »Mythos«, der
»seine phantastischen Ranken« um die Gestalt Therese Hubers gezogen
und diesen Zeitraum »in ein dämmerndes Dunkel gehüllt« habe.
2* Die Auflage sank zwischen 1822 und 1827 von 1785 auf 1475 ab.
Vgl. auch die Urteile Wilhelm Hauffs über das Morgenblatt in den
Briefen an Carl C. R. Herlossohn vom 28. Mai 1827 (vgl. Kap. II.
1 a) und an J. Fr. Cotta vom Juli 1826 (vgl. Kap. II, 1 b dieser Arbeit).

der sich des Schriftstellernamens H. Clauren bediente,
»mit derselben Würze, nur reichlicher überall, nur noch
pikanter«26 erschienen; ihre Hauptbosheit lag darin, daß
sie den Namen Claurcns auf dem Titelblatt führte. Clauren
hatte als Antwort darauf Hauffs Verleger, den Buchhändler
Franckh, verklagt. Franckh mußte zahlen. Hauff aber war
über Nacht berühmt geworden.
Zu Cotta hatte Wilhelm Hauff durch seine Familie gute
Beziehungen. Doch hinderte ihn sein Ehrgeiz, sie auszu-
nutzen. Nicht der Buchhändler, der seine Werke verlegte,
sollte Hauff einen Namen machen, sondern umgekehrt Hauff
ihm. Deshalb ging er zu dem »kleinsten Krämer« in Stuttgart
und tröstete sich über dessen »miserable Verlagswerke« mit der
Tatsache hinweg, daß er der Herr war und der Verleger der
Knecht2?. Wie er seinem Freunde Moritz Pfaff später mit-
teilte2 8, hat Cotta ihn in der Zeit seines Aufstiegs zur Mitarbeit
am Morgenblatt eingeladen. Hauff hat ihm darauf ein halbes
Versprechen gegeben, dieses jedoch nicht gehalten, weil, wie
er sich ausdrückte, Cotta noch nicht da war, wo er ihn
haben wollte. Hauff hatte die fixe Idee, er müsse Cotta seine
Unabhängigkeit zeigen, um zu verhindern, »auf eine etwas
gemeine Weise« von ihm behandelt zu werden. Diese Vor-
stellung trieb ihn so weit, daß er jeden Tag um die Mittags-
zeit, wenn er Cotta am Fenster wußte, mit dem Verleger
Franckh demonstrativ unten vorbeiging. Solche Plänkeleien
Hauffs haben den Verleger freilich nicht davon abgehalten,
im entscheidenden Augenblick an ihn heranzutreten.
Von Mai bis November 1826 befand sich Hauff auf der
obligaten Bildungsreise. In dieser Zeit machte Cotta den
ersten ernsthaften Annäherungsversuch. Ein Brief, den er
ihm Ende Juli nach Holland schrieb, enthielt ein über-
raschend großzügiges Angebot: Ohne irgendwelche Bedin-
gungen daran zu knüpfen, erklärte er sich bereit, Hauff eine
Reise nach Schottland und England zu fmanzcei. Aber
dieser setzte seinen »Bettlerstolz« gegen den des großen
Verlegers und schlug das Angebot aus29. Hierauf schrieb
Cotta noch einmal nach Aachen. Er beklagte sich über
Hauffs abweisende Haltung, bot ihm aber trotzdem die Re-
daktion des »Damenalmanachs« an und faßte die des Mor-
genblattes ins Auge30. Jetzt griff Hauff zu. An seinen Bruder
Hermann schrieb er:

26 Kontroverspredigt über H. Clauren und den Mann im Monde,
gehalten vor dem deutschen Publikum in der Herbstmesse 1827.
27 Vgl. Brief an seinen Bruder Hermann vom 17. Sept. 1826, abge-
druckt bei Karl Stenzel: Neues aus Wilhelm Hauffs Lebenskreis, Ge-
legenheitsgedichte, Briefe und Urkunden, Stuttgart 1938 (Veröffent-
lichungen des Archivs der Stadt Stuttgart, Sonderheft), S. 33 ff.
28 Brief an Moritz Pfaff vom 7. September 1826, Hs im Schiller-
Nationalmuseum, Hauff-Nachlaß, s. Anhang 2 b.
29 Vgl. ebda.
3° Vgl. Hans Hofmann: Wilhelm Hauff. Eine nach neuen Quellen
bearbeitete Darstellung seines Werdeganges, Frankfurt a. Main 1902,
S. 97.

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Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel — Frankfurter Ausgabe — Nr. 42, 28. Mai 1965
 
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