Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Peek, Sabine
Cottas Morgenblatt für gebildete Stände: seine Entwicklung und Bedeutung unter der Redaktion der Brüder Hauff (1827-1865) — Frankfurt (am Main): Buchhändler-Vereinigung, 1965

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.53628#0012
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
PEEK: COTTAS MORGENBLATT FÜR GEBILDETE STÄNDE

lastet werden. Schillers kategorischen Vorsatz, »Das,was
den Besten gefällt, in jedermanns Hände«18 zu bringen,
wurde umgewandelt in die gefällige Absicht, »Allen etwas«
zu bieten. Der allzu kostspielige, auf den Ruin anderer
Unternehmen berechnete Höchsthonorarsatz von 8 L’dor’s
(ca 136 Mark) pro Bogen wurde auf 50 f (ca 85 Mark)
reduziert, während der Mindesthonorarsatz der »Horen«
von 3 L’dor’s zum Durchschnittshonorarsatz des Morgen-
blattes erhoben wurde. Vom Anonymitätszwang, der bei
den »Horen« des öfteren kritisiert worden war, nahm man
Abstand. Doch erhob man die Namenszeichnung nicht
zum Prinzip. Sie wurde nur dann vom Mitarbeiter gefor-
dert, wenn die Redaktion für den Inhalt eines Beitrags
aus besonderen Gründen nicht allein haften konnte und
wollte. Das Wiederabdruckverbot, das für die Horen-
beiträge vier Jahre betrug, wurde auf drei, später sogar
auf zwei Jahre verkürzt.
Der ökonomische Hintergedanke, durch die Zeitschrift
dem Buchverlag einen Vorteil zu schaffen, hat natürlich
auch bei der Gründung des Morgenblattes eine wichtige

Rolle gespielt. Aber die Mittel, die Cotta dabei zur An-
wendung brachte, waren weniger diktatorisch. Der Para-
graph 9 des Horenvertrags, der dem Verleger für sämtliche
Schriften aller beständigen Mitarbeiter das Vorkaufsrecht
zusichertc, erübrigte sich. Einmal stand das Morgenblatt
dafür auf zu breiter Basis. Zum anderen aber war der Verlag
Schillers und Goethes mittlerweile zum Attraktionspunkt
geworden und konnte solcher Auskunftsmittel entraten.
Was Cotta jetzt brauchte, war ein demokratisches Me-
dium, welches ihn als erfolgreichen Verleger mit dem
literarischen Nachwuchs und den breiteren Leserschichten
verband. Beides sollte das Morgenblatt leisten. Unter
den in seinen Spalten debütierenden Nachwuchstalenten
wollte Cotta für seinen Verlag die Blütenlese halten19 und
daneben durch Vorabdrucke geschickt gewählter Proben
aus seinen Verlagswcrken die Neugier und Kauflust des
Publikums reizen. Als dienstbares Glied im Vcrlagsunter-
nehmen war das Morgenblatt somit vor allem der Auto-
renwerbung und der Reklame für Verlagsartikel bestimmt
und für Cotta von größter Bedeutung.

I. l>crfonalscfd)idjte

Ist ein deutscher Buchhändler ein
Pascha und die Redacteure literarische
Hausknechte, die er commandirt?
(Georg v. Cotta)
1. Die Stellung der Redakteure am Morgenblatt
<7) Die Redakteure vor Wilhelm Hauff
Aus der Verstrickung des Morgenblattes in die Verlags-
interessen der Cotta’schen Buchhandlung ist zu erklären,
warum Cotta, der sonst »seinen Redakteuren in der Auf-
nahme von Artikeln bis zur Selbstverleugnung freie Hand
ließ«20, sich gerade für diese Zeitschrift »persönlich interes-
sierte«, d. h. sich in die Beschlüsse der Redakteure ständig
hineinmischte.
Das Katz-und-Maus-Spiel Cottas mit den Morgen-
blattredakteuren scheint schon die Mitwelt belustigt zu
haben. Im Romantikerstreit, wo jede Schwäche der Ge-
genpartei mit Freuden aufgedeckt wurde, kam auch dies
aufs Tapet. In Justinus Kerners Klassizistensatire »Reise-
schatten« reist der Verleger Popanz (Cotta) als Kondukteur
verkleidet, »um den Ehrenbezeugungen des gebildeten
Publikums zu entgehen«, auf dem Schwagersitz einer
Postkutsche. Als aber die Insassen des Reisewagens einen
18 Schiller: Anzeige der Horen vom 13. Juni 1794.
19 Daß Cotta sich hierbei nicht verrechnet hatte, beweist das Ergeb-
nis: fast alle seiner späteren Verlagsautoren sind über das Morgenblatt
zu ihm gekommen. Vgl. dazu Wolfgang Berg, a.a.O.
20 Liselotte Lohrer, Cotta, a.a.O., S. 60.

Aufsatz über die »interessante Erscheinung von Selbst-
entzündung eines Antiquarii für seinen schmeckenden
Wurm« (Cotta für das Morgenblatt) unter sich austauschen
wollen, läßt er plötzlich die Maske fallen und schreit vom
Kutschbock herunter: »Herr! wenn es mit meiner Erlaubnis
geschieht!«21
Die Redakteure haben für Cottas autoritäres Gebaren
nicht immer Verständnis gezeigt, vor allem dann nicht,
wenn sie selbst einen »Namen« zu verteidigen hatten. Die
Redaktionsgeschichte bis hin zu Hermann Hauff zeigt daher
eine Reihe von Streitigkeiten, bei denen sich Cotta freilich
immer als der Stärkere erwies.
Uber Cottas Verhältnis zu seinen ersten Redakteuren
Karl Grüneisen (1807-1808) und Georg Reinbeck (1808 bis
1811) ist wenig bekannt. Doch schon unter Friedlich Haug
(1811-1817) lassen sich Spannungen nachweisen. Haug
zerstritt sich zuerst mit Friedrich Rückert, der ihm in
der Redaktion assistierte, dann mit Cotta. Therese Huber,
die Rückerts Nachfolgerin wurde, berichtete darüber
folgendes an Paul Usterie: »Er (Haug) warf die Schuld
auf Cotta der einen Kehrichtwinkel und Geiselgewölb
daraus (aus dem Morgenblatt) machte. Einmal sollte hinein,
was er aus zehn Gründen nicht verweigern konnte, ein
21 Frieda Höfle, die auf die Morgenblattsatire in den »Reiseschatten«
aufmerksam macht, hat diese nicht voll ausgedeutet und teilweise falsch
dechiffriert.

952

Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel — Frankfurter Ausgabe — Nr. 42, 28. Mai 1965
 
Annotationen