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22

Marcus-Säule

Nicht leicht haben die Römer einen Krieg unter so ungünstigen Verhältnissen
geführt wie den gegen die Völker nordwärts der mittleren Donau unter Kaiser Marcus.
Freilich war es ein Angriffskrieg barbarischer Haufen gegen ein hoch civilisiertes und
militärisch consolidiertes, das gesamte Mittelmeergebiet umspannendes Reich; ein Krieg
etwa in dem Verhältnis, wie wenn die Stämme Nordafrikas gegen Frankreich zu
Felde ziehen würden, der Ausgang von Haus aus nicht zweifelhaft. Dennoch haben
Eutrop. 8, 12 die römischen Geschichtschreiber nicht ohne Grund diesen Krieg den schwersten ge-
nannt, den Rom seit Hannibals Zeiten gegen äussere Feinde zu bestehen gehabt hat.

Der Krieg kam über Italien nicht allein, sondern mit diesem Würgengel zu-
vita 8,4. i2, i4. gleich die des Hungers und der Pest. Wiederholte Missernten zehrten an dem Marke
13,3 .i- Volkes, und schlimmer als diese brachten die vom Euphrat aus dem Partherkrieg

heimkehrenden Truppen eine Seuche mit, wie deren die Geschichte wenige berichtet;
sie verheerte vor allem Italien und insbesondere die in den Standlagern zusammen-
gedrängten Truppen.

Dazu kam die finanzielle Bedrängnis, ohne Zweifel hervorgerufen oder
wenigstens verstärkt durch die oben bezeichneten Calamitäten, weiter gesteigert auch
durch die Rechtschaffenheit des Herrschers, der zu denen gehörte, welche ein Herz
für das Volk haben — einmal, als seine Soldaten die üblichen Spenden forderten, hat
Dio 7i, 3. er ihnen zugerufen, ob sie wohl bedächten, dass jedes Geldstück, welches sie empfingen,
dem sauren Schweiss der Ihrigen abgerungen sei. Es kam so weit, dass der Kaiser
v;ta 17,4.21, g. die Kleinodien seiner Schatzkammer und die Bilder seiner Galerie öffentlich versteigern
Hess, um für die notwendigen Bedürfnisse Rat zu schaffen.

Die militärische Lage des Reiches war überhaupt prekär und insbesondere
die Nordgrenze keineswegs genügend gesichert. Der stehenden Armee fehlte jede
Reserve und für den Schutz der ausgedehnten Grenzen reichte sie nicht aus. Auf der
weiten Strecke zwischen den obergermanischen und den pannonischen Standquartieren,
zwischen Strassburg und Wien, an dem ganzen mittleren Donaulauf gab es kein Legions-
lager; das spätere norische in der Gegend von Enns und das spätere raetische bei
Regensburg sind eben von Kaiser Marcus während dieses Krieges eingerichtet worden.
Der parthische Krieg hatte mit empfindlichen Niederlagen begonnen und es hatten infolge
derselben die Donauarmeen einen Teil ihrer Mannschaften nach dem Osten senden
müssen. Deutlich erkennt man, dass die ersten Kriegsjahre weniger durch Märsche
und Gefechte ausgefüllt wurden als durch die Aufgabe, unter all den Schwierigkeiten,
welche die Epidemie und die Geldnot bereiteten, ein den Verhältnissen gewachsenes
Heer zu schaffen. So gänzlich gebrach es an sofort brauchbaren Mannschaften, dass

Vita 21, 7. 23, 5- 6 6

die Municipalgensdarmen Kleinasiens, die Gladiatoren aus den öffentlichen Fechtschulen,
ja sogar die Strassenräuber aus den Gefängnissen und die geeigneten Sklaven unter
die Truppen eingereiht wurden.

Die Ungunst der Lage ward weiter gesteigert durch das Naturell der Kaiser, denen
zur Zeit der Oberbefehl zustand. Die Militärmonarchie hatte, wie begreiflich, dazu geführt,
dass ein schwerer, über verschiedene Provinzen sich erstreckender Krieg nicht anders ge-
führt werden konnte als unter persönlichem kaiserlichem Oberbefehl. Nicht leicht aber hat
es einen weniger kriegsfrohen Herrscher gegeben als Kaiser Marcus. Jener wohl erkannten
Pflicht meinte er, als er die Regierung übernahm, dadurch genügen zu können, dass er
 
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