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4o

Marcus-Säule

dauernden Krieges, mag sie nach Nord oder Süd, nach Ost oder West sich richten und
wenden, muss sich hier also dieser einzig möglichen Richtung fügen. Ganz zu Anfang
sieht der Beschauer gegen Süden, aber nur durch Überlegung wird ihm klar, dass
alsbald vielmehr der Norden vor seinen Augen liegt. Freilich gehört zur Bewegung
naturgemäss die Gegenbewegung, wo redend und handelnd Menschen einander ent-
gegentreten, und als Angreifende kommen die Römer von links, die Gegner von rechts,
im allgemeinen. Denn, davon ganz abgesehen, dass die Römer vermöge ihrer über-
legenen Kriegskunst den Feind sehr häufig umfassend von vorn und hinten, von links
und rechts zugleich angreifen, ist bald der Abwechselung wegen, bald aus sachlichen
Gründen jene normale Ordnung verkehrt worden. Marc Aurel selbst z. B. steht
meistens nach rechts gewandt, aber nicht selten auch nach links und etliche Male
auch dem Beschauer zugewandt. Wo nicht bloss er, sondern Römer und Barbaren
überhaupt Stellung und Richtung vertauscht haben, liegen meist besondere Gründe
vor, wie z. B. Taf. 16 f. die Barbaren links, die Römer rechts von dem Flusse stehen,
weil das Kastell im Rücken der Römer auch nach der anderen Seite mit Marc Aurel
in Beziehung gesetzt werden sollte. Einige Male ist die Umkehr der Bewegung selbst
dargestellt, und zwar augenscheinlich der wirklichen Marschbewegung entsprechend,
so in den Scenen, wo in einer oder mehreren Windungen eine Höhe gewonnen (Taf. 20,
34 und in) oder verlassen wird, 34, 97, oder ein Kehrtmachen auf dem Flecke darzu-
stellen war (Taf. 32, 42, 45); oder, was dem verwandt, etwas im Rücken des Kaisers
Vorgegangenes seine Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt, z. B. Taf. 26, 33. Mit-
wirkend dabei ist aber öfter auch ein gewisses Streben nach Symmetrie und Anti-
these in der Komposition oder Anordnung, weniger der einzelnen als vielmehr der
reihenweis verbundenen Scenen.

Denn begreiflicherweise zerlegt sich das zwanzig Windungen lange Reliefband
in eine Menge von einzelnen Scenen und Bildern, wie ja die mehreren Kriegsjahre in
viele mehr oder weniger verbundene Aktionen zerfielen. Wir haben solcher Scenen in der
unteren Hälfte sechsundfünfzig, in der oberen noch sechs mehr gezählt. Über einige lässt
sich streiten, und wo Ergänzungen Platz gegriffen haben, ist die Entscheidung noch
ungewisser. In der Regel aber ist der trennende Einschnitt nicht zu übersehen, mag er
auch, wie die Cäsur in der Metrik, bald stärker bald schwächer sein, am stärksten, da wo
die entgegengesetzt bewegten und von einander abgekehrten Figuren eine, meist gerade,
selten wie z. B. nach Sc. XXVIII, in schräger Linie durchgehende Lücke zwischen sich
lassen; nicht selten unterstützt, wenn nicht hervorgerufen durch eines der nach den vier
Kardinalpunkten ungefähr in jeder zweiten Windung wieder vorkommenden Fensterchen,
verstärkt auch wohl durch Elemente der Darstellung, einen Baum, ein Zelt oder der-
gleichen. Schwächer ist der Einschnitt, wenn nur ein Teil der Figuren sich von einander
kehrt; am schwächsten, wo dieselbe Bewegungsrichtung weitergeht, aber doch
meist eine Lücke zwischen den Figuren bleibt. Auch hier kommt wohl ein Fenster,
ein Baum oder Zelt oder sonst ein trennendes Element hinzu, und noch etwas. Häufig
ist nämlich durch Kopfwendungen, sowohl die starke Trennung von einander abgekehrter
Figuren gemildert, als auch die schwache zwischen gleichbewegten verstärkt, so dass
also dort zugleich geschieden und verbunden, hier verbunden und geschieden wird.
Das sind bestimmte Anzeichen, dass, um im Vergleich zu bleiben, die Cäsuren von
 
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