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Petersen, Eugen
Ein Werk des Panainos — Leipzig, 1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.9306#0026
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auch in ihrem Anfang klar vor Augen steht, wenn man sich nur
nicht, wie alle Ausleger bisher, durch die schriftliche Uberlieferung
des Vorgangs den Blick trüben läßt. Alle Bewegungen — auf sie,
nicht auf den Ausdruck der Gesichter war die Kunst damals be-
dacht35) — sind bedeutungsvoll und entscheidend. Man hat das
Handauflegen Eurydikes unschön gefunden36) wegen des zu engen
Zusammenstehens. Vielleicht war es auch mit die darin sich
äußernde Energie, die zu stark anmutete für das Verhalten Eury-
dikes, wie man es sich dachte, und wie es Jahn verstand, nur als
'Ausdruck schmerzlicher Zärtlichkeit', hervorgerufen durch Orpheus'
Anblicken und dessen Folgen. Frage man doch nur, welche Be-
wegung die andre hervorruft, ob die des Orpheus diejenige der
Eurydike, oder vielmehr diese jene. Es ist dann schier unmöglich
das Handauflegen Eurydikes nicht für das Erste zu halten, für das
was des Orpheus Tun bestimmt. Die Energie dieser Bewegung ist
wesentlich und bedeutsam, darum nicht unschön. Sie ist ähnlich
derjenigen, die wir so oft Männer und Jünglinge machen sehen,
die meist in größerer Eile Frauen oder Mädchen liebend ver-
folgen, und sie durch Handauflegen oft erreichen sie nicht
die Schulter sondern nur den Arm zum Stehen und zunächst
zum Umwenden des Kopfes veranlassen. Das Ungewöhnliche ist,
daß hier Mann und Weib die Rolle getauscht haben, daß nicht er
sondern sie halt gebietet. Daß wir weder Eurydike noch Orpheus
mit solcher Auffassung Unrecht tun, und daß er in der Tat um
ebenso viel an Männlichkeit eingebüßt hat, als sie gewann, wird
sich bald zeigen. Maßvolle Bewegung hier, an Stelle stürmischer Eile
in jenen Liebesverfolgungen, läßt immerhin Eurydikes Weiblichkeit
noch ihr Recht.

Eine äußere Beglaubigung meiner Auffassung finde ich in dem
Münzbilde der thrakischen Stadt Hadrianopolis, das Pick abbildete
und auf Orpheus, Eurydike und Hermes bezog37). Trotz der Ver-
änderungen - die beiden männlichen Figuren sind fast nackt, und
die ganze Darstellung ist umgekehrt, so daß die Bewegung nach
links geht, und zwar Orpheus nach links schreitend dargestellt
ist die Abhängigkeit dieser Darstellung von der andern offenbar.
'Orpheus hat sich nach Eurydike umgeschaut, aber schon berührt
Hermes sie am Handgelenk, um sie wieder zurückzuführen, während

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