Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Petersen, Eugen
Ein Werk des Panainos — Leipzig, 1905

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9306#0025
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Beines, daß er nicht frei ist die Bewegung auszuführen: es ist der
Fesselsitz, kein Thron, nur natürlicher, gewachsener Fels, die
äxiv?]Tog mrga, die ihn hält. Und sollte nicht auch die auf seine
Schulter gelegte Hand des Herakles wenn wir sie richtig er-
gänzten andeuten, daß Peirithoos nicht aufstehen, daß er auf
seinem Sitze im Hades bleiben werde? - - Ganz wie auf der griechi-
schen Bühne nicht Handlungen vorgeführt werden, sondern meist
nur in Worten sich Leidenschaften und Gedanken zu äußern pflegen,
die einer Tat vorausgehn oder folgen, so erscheinen hier die drei
Helden fast handlungslos nebeneinander, auch in der Dreizahl
wie in den zwei andern Reliefs an die übliche Dreizahl der
gleichzeitig auf der Bühne erscheinenden Personen erinnernd.

Orpheus. Und nun Orpheus. Allgemein verstand man bisher,
so sehr man auch im einzelnen auseinandergehen mochte33), den
Sänger in dem Augenblicke dargestellt, wo er das Gebot, Eurydike
nicht anzusehen, bis er zur Oberwelt gelangt sei, übertretend,
vorzeitig Blicke mit ihr tausche, zugleich Hermes seine Hand
wieder an Eurydike lege, und so die kaum Gewonnene dem
Orpheus wieder verloren gehe. Niemand hat das feiner empfunden
und ausgedrückt als Otto Jahn34): 'Im Gehen begriffen', sagt er,
'hält sie inne und legt mit dem Ausdruck schmerzlicher Zärtlichkeit
ihre Linke auf die Schulter des Orpheus, der sie innig ansieht und
mit seiner Hand sanft die ihrige berührt, als wolle er sie entfernen'.
Das wäre alles zutreffend, wäre nicht eine scheinbar geringfügige
Sache versehen, was einem durch Jahns Motivierung zum Bewußt-
sein gebracht wird. 'Eurydike', sagt er weiter, 'vermag nicht von
dem Anblick des kaum wiedergewonnenen Gatten sich zu trennen,
während er seines Fehls eingedenk, in schmerzlicher Resignation
den Abschied herbeizuführen sucht'. Bei solcher Auffassung ist
das Sichumwenden des Orpheus, Hauptsache und Schwerpunkt des
ganzen Vorgangs, als vorausgegangen und im Bilde nicht moti-
viert hingenommen, und wird dem Sichanblicken der Liebenden
eine unbestimmte Dauer gegeben, bis Orpheus selbst 'dem pein-
lichen Zustand ein Ende macht'. Auch darf man fragen, ob Or-
pheus dann nicht vielmehr im Momente der Abkehr als der Zukehr
dargestellt sein müßte. Nein, es ist eine jäh eintretende, rasch sich
abspielende Handlung, die nicht allein in ihrem Ausgang sondern

19 2*
 
Annotationen