Drama und Bildkunst
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Geschichte als seines trattato preliminare. Bessere Kenntnis der
alten Kunst, auch der einzelnen Künstlerindividualitäten führten
neuere Forscher wie Weicker, Brunn, Helbig zu bestimmteren Ver-
gleichungen, und neuestens hat Winter, Einleitung in die Altertums-
wissenschaft II 176 Parallelen gezogen zwischen Aeschylus, Sophokles,
Euripides einerseits und den Giebelgruppen des Zeus-Tempels von
Olympia, zweitens denen des Parthenons und den vielbesprochenen
Medea-, Orpheus-, Herakles-Reliefs, drittens den Werken des De-
metrios andrerseits. Dass dabei Richtiges gesagt ist, soll nicht
geleugnet werden, doch ist es nicht genügend, und keiner ist dabei
so schief beurteilt wie Sophokles. Wer dessen Erkennungsszene
von Orest und Elektra auf Kosten der Wahrheit ('Sachlichkeit’)
lediglich der 'Schönheit der Darstellung wegen’ ausgeführt glaubt,
und damit im Parthenonsfries das 'Anheben, Fortschreiten, Zurück-
halten und Wiederanheben, ein gleiches Verweilen bei reizvollen
Bildern, deren Motive der Künstler in leichtem Wechsel der Form
wiederholt, von deren Schönheit er sich nicht trennen kann’ ver-
gleicht und offenbar auch hier Schönheit um ihrer selbst, nicht um
der Sache willen finden will, der wird weder Pheidias noch Sophokles
gerecht — gar nicht zu reden davon, dass dabei Sichtbares und
Unsichtbares verglichen wird. Richtiger, als speziell mit dem Ost-
giebel von Olympia, scheint es, verglich man früher Aeschylus
Tragödie mit Polygnots und seiner Schule grossen Wandgemälden,
namentlich mit den am besten bekannten der Knidier-Lesche, wenn
auch die Vergleichung mit Gemälden, die wir nur aus Beschreibung
und einigen Reflexen kennen, sich im allgemeinen halten muss.
Ist doch durchaus vergleichbar hier und dort die Vorliebe für grosse
umfassende Aufgaben, schon wenn wir Einzeltragödien wie die
Perser, den Prometheus, die Schutzflehenden betrachten, mehr noch
wenn man den trilogischen Zusammenhang bedenkt und die weit-
reichenden Ideen, die sich durch die bestbekannten Trilogien der
Promethie und der Orestie hindurchziehn. Denselben auf das Grosse,
den Himmel, Erde, Götter und Menschen verbindenden Zusammen-
hang gerichteten Gedankenflug lässt uns auch der Gesamt-Bildschmuck
des Parthenons und seines Tempelbildes erkennen, den eben wegen
seinerj Einheitlichkeit nur Einer ersonnen und in den Hauptlinien
auch entworfen haben kann, kein andrer als Pheidias, auf den die
Archäologie sich allmählich wieder besinnt. Wie Pheidias sich des
Aeschylus erinnerte, wird uns die Promethie lehren. Und auch die
grosse Trilogie der Göttergeschichte in den Giebeln des Parthenons,
der Heroen in den Metopen, der Menschen im Fries — ist sie
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Geschichte als seines trattato preliminare. Bessere Kenntnis der
alten Kunst, auch der einzelnen Künstlerindividualitäten führten
neuere Forscher wie Weicker, Brunn, Helbig zu bestimmteren Ver-
gleichungen, und neuestens hat Winter, Einleitung in die Altertums-
wissenschaft II 176 Parallelen gezogen zwischen Aeschylus, Sophokles,
Euripides einerseits und den Giebelgruppen des Zeus-Tempels von
Olympia, zweitens denen des Parthenons und den vielbesprochenen
Medea-, Orpheus-, Herakles-Reliefs, drittens den Werken des De-
metrios andrerseits. Dass dabei Richtiges gesagt ist, soll nicht
geleugnet werden, doch ist es nicht genügend, und keiner ist dabei
so schief beurteilt wie Sophokles. Wer dessen Erkennungsszene
von Orest und Elektra auf Kosten der Wahrheit ('Sachlichkeit’)
lediglich der 'Schönheit der Darstellung wegen’ ausgeführt glaubt,
und damit im Parthenonsfries das 'Anheben, Fortschreiten, Zurück-
halten und Wiederanheben, ein gleiches Verweilen bei reizvollen
Bildern, deren Motive der Künstler in leichtem Wechsel der Form
wiederholt, von deren Schönheit er sich nicht trennen kann’ ver-
gleicht und offenbar auch hier Schönheit um ihrer selbst, nicht um
der Sache willen finden will, der wird weder Pheidias noch Sophokles
gerecht — gar nicht zu reden davon, dass dabei Sichtbares und
Unsichtbares verglichen wird. Richtiger, als speziell mit dem Ost-
giebel von Olympia, scheint es, verglich man früher Aeschylus
Tragödie mit Polygnots und seiner Schule grossen Wandgemälden,
namentlich mit den am besten bekannten der Knidier-Lesche, wenn
auch die Vergleichung mit Gemälden, die wir nur aus Beschreibung
und einigen Reflexen kennen, sich im allgemeinen halten muss.
Ist doch durchaus vergleichbar hier und dort die Vorliebe für grosse
umfassende Aufgaben, schon wenn wir Einzeltragödien wie die
Perser, den Prometheus, die Schutzflehenden betrachten, mehr noch
wenn man den trilogischen Zusammenhang bedenkt und die weit-
reichenden Ideen, die sich durch die bestbekannten Trilogien der
Promethie und der Orestie hindurchziehn. Denselben auf das Grosse,
den Himmel, Erde, Götter und Menschen verbindenden Zusammen-
hang gerichteten Gedankenflug lässt uns auch der Gesamt-Bildschmuck
des Parthenons und seines Tempelbildes erkennen, den eben wegen
seinerj Einheitlichkeit nur Einer ersonnen und in den Hauptlinien
auch entworfen haben kann, kein andrer als Pheidias, auf den die
Archäologie sich allmählich wieder besinnt. Wie Pheidias sich des
Aeschylus erinnerte, wird uns die Promethie lehren. Und auch die
grosse Trilogie der Göttergeschichte in den Giebeln des Parthenons,
der Heroen in den Metopen, der Menschen im Fries — ist sie