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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1865

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Nr.2 (5. September)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43886#0016
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Hypothesen bei den Kreisgerichtssitzungen die staunende
Bewunderung des Publikums rege zu machen weiß.
** Aus dem Kreise Mosbach, 30 Aug. Der
an die Stelle des allgemein geachteten Oberamtmanns
Orff gekommene Verwaltungsbeamte Hebting rührt
sich tüchtig, um die Kreiswahlen in regierungsfreund-
lichem Sinne zu beeinflussen. Er soll sich dabei als
Auchkatholik vorstellen und auf eine Weise gegen die
wahren Katholiken agitiren, wie man es nach sei-
nem ersten Auftreten im Amte Mosbach und der
ihm zugetrauten Klugheit nie erwartet hätte. Ueber
einen besonders eclatanten Vorfall, wie derselbe die
Ortsbereisungen zu Wahlumtrieben benützt, werden
Sie nach genauer Erhebung des Thatbestandes Nach-
richt erhalten. Vor dem Pfälzer Boten hat er be-
reits gelegentlich einer landwirtschaftlichen Bespre-
chung gewarnt.
Zus. der Red. Das ist die „freie Bewegung der
Geister in Baden", wenn die Beamten in ihrer
offiziellen Eigenschaft sich herausnehmen, dem noch
viel zu schüchternen Volk durch Bitten und Droh-
ungen die von Oben herab gewünschten Zeitungen
aufzuzwingen und dazu wie zu den ausgedehntesten
Wahlumtriebsn sogar landwirthschaftliche Besprechun-
gen benützen! Wir könnten manches hübsche Ge-
schichtchen berichten, wie von gewissen Beamten die
lächerlichsten Einschüchterungen gebraucht werden, um
dein Volke das Recht der freien Wahl zu verkümmern.
Mindestens taktlos ist es aber zu nennen, wenn
Beamte, wie insbesondere der Oberamtmann Linde-
mann in Wiesloch, so offen sich als Parteimänner
geriren, daß sie sogar sich mit an die Spitze der
Aufrufe stellen, die von den Fortschrittlern als Angst-
und Nothruse an das wählende Volk gerichtet wer-
den. ' Alles inr Interesse einer freien unbeeinflußten
Wahl!
* Königshofen, 3. Sept. Eine Wahlversamm-
lung von circa 8000 kath. Männern des Tauber-
grunds wurde durch den plötzlich in Amtswürde her-
portretenden Stellvertreter des Bezirksamts Tauber-
bischofsheim als Volksversammlung erklärt und ge-
schlossen. Herr Lindau wies auf den hiermit in Wi-
derspruch stehenden Z. 25 des Vereinsgesetzes hin, und
seinen: Zureden gelang es, das in seinen: Rechte
verletzte und tief entrüstete Volk zum friedlichen Ausei-
nandergehenzubewegen. Näheres behalten wir uns vor.
Aus Baden, 31. Aug. (Franks. Postzeitg.) Die
Parteileidenschaft hat gegenwärtig bei uns einen
solchen Höhepunkt erreicht, daß jeder Einsichtsvolle
nur nut schwerer Sorge in die Zukunft blickt. Ganz
Baden ist in zwei feindliche.Heerlager gespalten nnd
am 4. September sollen sie sich im Wahlkampf für
die Kreisversammlungen gegenübertreten. Die maß-
lose Sprache in den unzähligen Versammlungen wie
in der Presse flößt dem ruhigen Beobachter einen
nicht zu überwindenden Widerwillen vor solchen Zu-
ständen ein. Und so wird denn auch das Resultat
dieses Wahlkampfes schwerlich den Interessen unseres
Staates, noch viel weniger den: einzelnen Staats-

bürger zum Vortheil gereichen; jedenfalls aber dem
angeblich fo hochgehaltenen Princip der Selbstver-
waltung wenig frommen, da nicht den Parteimän-
ncrn, die in unterer Instanz zu entscheiden haben,
sondern den Staatsbehörden der höheren Instanz
das Vertrauen zufließen wird. Der jetzige uner-
quickliche Zustand kann übrigens nicht länger mehr
fortbestehen: entweder muß es zu einer Verständi-
gung kommen, oder es muß dem Andrängen der
gothaischen Parteiführer nach energischeren Maßre-
geln, für die Minister Lamey keine Sympathie zeigt,
entsprochen werden. Ich möchte nicht über das wahr-
scheinliche Resultat des Wahlkampfes ein vorzeitiges
Urtheil fällen. Nur halte ich den Kmnpf für un-
gleich, denn auf der einen Seite steht die Regierung
mit ihrem zahlreichen Apparat der gesammten Be-
amtenschaft bis herunter zu den Bürgermeistern und
Gemeinderäthen mit einer diensteifrigen Amtspresse,
mit einem Theil des süßen „Pöbels," der den Mann-
heimer Scandal erst vor wenigen Tagen in Mark-
dorf wiederholte. Auf der andern Seite steht die
kirchlich-conservative Partei, erst seit Kurzem in der
Bildung begriffen, Feind aller drastischen Mittel-
lediglich auf Belehrung in Versammlungen ange-
wiesen und sich hauptsächlich auf das Landvolk stü-
tzend, welches den Wahlintriguen der Stadtbevöl-
kerung nicht gewachsen ist und zum großen Theil
noch eine heilige Scheu vor den Dictaten der Ober-
amtmänner zeigt, die sich zum Theil nicht entblöden,
mit ihrer Namensunterschrift zur Betheiligung an
Parteiversammlungen aufzufordern. (In Nassau und
Preußen ist dies, lieber Bauer, etwas Anderes!)
-f Markdorf, den 28. Aug. Unsere Liberalen
haben gestern auch uns gezeigt, wie sie die Freiheit
verstehen. Es war nämlich auf diesen Tag eine
Wahlversammlung kirchlich gesinnter Katholiken be-
stimmt nnd in der Freien Stimme von: See ange-
kündigt. In großer Anzahl stellten sich die katho-
lischen Männer ein, aber auch die liberale Partei
glaubte nicht wegbleiben zu dürfen. Schon die erste
Anzeige, welche an: Donnerstag in der Freien Stimme
erschien, brachte das Häuflein der hiesigen Kra-
kehler in gewaltige Bewegung. Auch die Bezirks-
räthe glaubten ihren wichtigen Einfluß geltend ma-
chen zu müssen. Schon an: Donnerstag Abend er-
schienen 2 derselben in Markdorf, um mit dem hier
wohnenden Bezirksrathe und Bürgermeister zu be-
ruhen, was zu thun sei. Alle Hebel wurden nun
in Bewegung gesetzt, Feuerreiter ausgesendet, eine
gedruckte Einladung hinausgeschickt, um alle Haupt-
schreier zusammenzutrompeten, — es war beschlossen
die kathol. Versammlung zu „verradolfzelliren." Wir
hatten uns wohl denken können, daß diese Herren
versuchen würden, die Versammlung zu stören; allein
an solche Gemeinheiten und Rohheiten, wie sie er-
folgten, hatte doch Niemand von uns gedacht. Von
allen Seiten, von Meßkirch, Pfullendorf, Engen,
Konstanz, Meersburg und andern Orten kamen Fort-
schrittskrakehler angezogen und sammelten sich im
 
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