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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1865

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Nr.2 (5. September)
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Nr. 2.


Heidelberg, Dienstag, den 5. September

1865.

Offenes Sendschreiben
an die kirchlich gesinnten Katholiken in Markdorf
und am Bodensee.
Katholische Mitbürger! Wir erhalten so-
eben genaue und zuverlässige Nachricht über eine
schreiende Verletzung des Euch zustehenden
Vereins- und Versammlungsrechts. Wir erfahren
tu unseren! Erstaunen, daß eine von Euch öffent-
lich ausgeschriebene „Wahlversammlung kirchlich ge-
sinnter Katholiken in Markdorf" durch gewaltthä-
tiges Eindringen Eurer Gegner gestört morden ist!
Wir könnten es nicht glauben, wenn nicht die THat-
sache feststttnde, daß ein Großh. bad. Bezirksrath,
sich auf das Zeichen seiner Würde stützend, an der
Spitze des Unternehmens stand und anstatt das Ge-
setz und die Ordnung für Alle zu wahren, Euch ka-
tholischen Mitbürgern diese Rechte durch rohe Ge-
walt vernichten ließ!
Katholische Mitbürger! Wir kirchlich gesinnte Ka-
tholiken des Unterlandes erinnern uns noch zu gut
der gegen uns veranlaßten Pöbelexesse in Mannheim
und Neckarsteinach und statt „sittlicher Entrüstung"
äußern unsere Gegner heute noch ein cynisches Froh-
locken über diese schmählichen Geivaltthaten.
Auch wir haben vor Kurzen! gehört, daß in hie-
siger Stadt ein Großh. bad. Bezirksrath in öffent-
licher, obgleich schwach besuchter Versammlung sich
erlaubte aufznfordern, die Ultramoutanen, d. h. die-
jenigen Katholiken, die in Benützung der ihnen zu-
stehenden Gewissensfreiheit sich für berechtigt halten,
einer kirchlichen Autorität in Glaubenssachen sich
unterwerfen zu dürfen, vom öffentlichen Leben aus-
zuschließen.
Katholische Mitbürger! Solche Versuche wiegen
doppelt schwer in dem Munde von Männern, die
berufen sind, in größeren Bezirken die öffentliche
Verwaltung mitzubesorgen. Sie lassen uns einen
tiefen Blick werfen in das arglistig gewobene System,
durch welches alle katholische Ueberzeugung erstickt
werden soll. Weil wir als treue Katholiken unsre
Kirchenautorität ehren und unterstützen, sollen ivir
nicht berechtigt sein im öffentlichen Leben mitzuwir-
ken, deßhalb sollen wir der herrschenden Partei ge-
opfert und mundtodt gemacht werden!
Katholische Mitbürger! So steht uns ein Kampf
um unsere Existenz bevor. Möge die brutale Ge-
walt, mit der man Euch am 27. Ang. in Markdorf
überwältigt hat, Euch die Augen öffnen über die

wahren Absichten einer Partei, die stets von Frei-
heit spricht, uns Katholiken aber sie zu entreißen
unablässig bestrebt ist! Möge auch Euch es klar-
werden, daß Eure kirchlichen und bürgerlichen Rechte
nur dann fortbestehen können, wenn Ihr sie ver-
tcheidigt; möchte die Gewaltthat vom 27. August
denselben Entschluß in Euch reifen, den Tausende
von katholischen Männern am 23. Februar nach
dem Attentate in Mannheim gefaßt haben:
„Einzustehen für unsere katholische Kirche, muthig
zu bekämpfen jede Ausschließung oom öffentlichen
Leben und nicht zu ruhen, bis Recht und Gerechtig-
keit auch für uns Katholiken zur Wahrheit wird!
„Gleiches Recht für Alle! Kampf gegen die schmäh-
liche Parteiherrschaft! das sei unsere Losung!"
Heidelberg, den 30. August 1865.
Im Auftrage der kirchlich gesinnten Katholiken
hiesiger Stadt:
Jakob Lindau.

f Mosbach, 29. Aug. Abends von 8—10 Uhr
hat auf dem hiesigen Rathhause ein liberales Wahl-
casino stattgefunden. Bekannte Nationalvereinler
perorirten nach dein Evangelium der Landesbase,
jedoch diesmal in etwas gemäßigterem Tone, um
Stimmen für ihre vorgeschlagenen Freunde zur Kreis-
wahl zu erhalten. Zum Schlüsse aber wurde durch
den Vortrag eines gewissen StraßenbaumeistersSchmitt,
welcher den Weg zum Himmel auf der Bahn des
Unglaubens zeigen wollte und die christliche Religion
mit der der Brammen verglich, der gute Eindruck
total verwischt. Die. Redner sollen meistens Auch-
katholiken'gewesen sein.
fff Mosbach, 30. Aug. Bei Buchdrucker Reuter
in Mosbach ist ein „Aufgebot an die Bürger Ba-
dens" erschienen, als Gegenstück zu dein „Aufgebot
au die römisch katholischen Bürger." Daß darin
über die „Pfaffen und Junker" gehörig geschimpft
wird, können Sie sich denken. Das Machwerk strotzt
aber von einer so großen.Menge von hohlen Phrasen,
daß inan keine Angst zu haben braucht, es werde
durch solchen blauen Dunst ein ächt katholischer Bür-
ger in seiner Wahlstimmung beirrt werden. Als
Verfasser ist „ein Landwirth" unterzeichnet, allein
einige Leser jener Phrasen sprachen die Bermuthuug
aus, es erscheine hier in Bauerntracht ein gewisser
Advokat, der den Leuten einen Wauwau vormachen
wolle und der auch sonst durch die Kühnheit feinet
 
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