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Donnerstags und 'Samstags.
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OttNlV Preist vierteljahrl. 40 tr. ohne Träger-
ullv IMUv.lohnu.Postausschlag. Jus.-Geb.2kr. d.,Z.
Nr. 13. <
r»eid ell
serg, Samstag, den 30. September
1865.
Einladung znm Abonnement.
Mit dem 1. Oktober d. Z. beginnt ein neues Abonnenentent auf den „Pfälzer Boten", wozu wir hiermit
freundlichst einladen. Abonnementspreis : vierteljährlich 40 Kreuzer ohne Trägerlohn und Postaufschlag.
Man bittet bei der zunächst liegenden Großhs Postexpedition zu bestellen. Die Expedition.
Die Toleranz der Gothaer.
ii.
Wo fängt man wohl an, wo hört inan auf, wenn
die Intoleranz der Gothaer in religiöser Beziehung
gezeichnet werden soll? Begnügen wir uns damit,
einige Hauptzüge hervorzuheben.
Mit welcher Berechtigung haben die Gothaer jene
protestantische Versammlung in Durlach ausgeschrie-
ben und abgehalteu, welche dazu bestimmt war, eine
Agitation gegen das katholische Concordat hervor-
zurufen? Es handelte sich beim Abschluß des letz-
teren um eine innere kirchliche Angelegenheit der
Katholiken. In diese sich einzumischen, den Funken
der Zwietracht aitzufachen, der heute leider bis zup
hellsten Flamme in Baden ausgebrochen ist, war
die ärgste Intoleranz des andern Religionstheils,
zumal man von der zweiten Kammer wußte, daß
sie etwaige Bestimmungen des Concordats, die in
irgend einer Weise den Protestanten unangenehm
sein könnten, streichen würde. Da hatte sich doch
der katholische Religionstheil kurz vorher viel an-
ständiger benommen ; denn als der Agendestreit irr
der protestantischen Kirche ausgebrochen war, hat
auch .nicht ein einziger Katholik sich in diesen Streit
gemischt ; das war die ächte Toleranz! Welche Ab-
sichten übrigens mit jener ersten Durlacher Ver-
sammlung verbunden waren, darüber legte ein go-
thaer Wortführer das naive Bekenntniß ab : „wir
konnten in der Politik nichts ausrichten, da ganz
Süddeutschland aus Anlaß des österreichisch-italie-
nischen Krieges antipreußisch war ; wir mußten da-
her auf dein religiösen Gebiet beginnen, um unserer
Partei auch auf dem politischen Felde den Sieg zu
verschaffen" (d. h. um die „Gimpel" zu fangen).
Daß es gelang, sehen wir an der neuen Aera.
Ich schweige von der Intoleranz, die sich in der
Bewegung gegen das Concordat äußerte, bis solches
verworfen wurde. Die Persönlichkeiten, welche die
Uebereinkunft abschlossen und welche auf die Inkon-
sequenz der Kammer aufmerksam machten, da diese
sich früher für die Unterhandlnnng mit Rom aus-
gesprochen hatte — sie sind in den Koth herabge-
zogen worden — und das hieß liberal! Was war
es aber anders als die schnödeste Intoleranz?
Mit noch viel größerer Unverschämtheit wurde
seitdem die katholische Geistlichkeit behandelt, weil
sie wie eine feste Mauer die Satzungen ihrer Kirche
kräftigst vertheidigte. Keine Verdächtigung, kein
Schinähwort, keine Mißachtung war Euch zu arg,
um sie nicht dem katholischen Clerus an den Kopf
zu schleudern. Und was habt Ihr erreicht mit die-
ser Eurer Intoleranz? Etwa das Schisma, wovon
Ihr träumtet nach Weise Eures Propheten Gewi-
nns — ach nein, heut zu Tage steht die kath. Geist-
lichkeit fester, geachteter und einflußreicher in Baden
da als jemals!
Das neue Schulgesetz — was ist es anders als
der Beweis einer fortgesetzten Intoleranz der go-
thaischen Partei? Durch ihren Einfluß wurde zu-
nächst der durch und durch schenkelprotestantische
Theseus*) znm Oberfchulrathsdirektor ernannt; hier-
auf drängte sie den Minister Lamey unaufhörlich,
ein Schulgesetz vorzulegen, welches den Einfluß der
Kirche auf die Schule möglichst herabmindern sollte.
Und doch ist nicht der Staat, sondern die Familie
der Nächst'berechtigte Faktor zur Kmdererziehnng!
Aber da Euch der Wille der Eltern nicht znsägte,
so habt Ihr auch hier wieder deu Polizeistaat ge-
schaffen, und es fehlte Euch die Courage, die Frei-
heit des Unterrichts zu proclamiren, aber auch beim
Vollzug des Gesetzes habt Ihr Euch intolerant gegen
die confessionelle Ueberzengung bewiesen. Ihr habt
Strafe dafür ausgesprochen, wenn eillem kath. Bürger
sein Gewissen verbot, die Stelle als'Ortsschnkräth
anzunehmeü.
Soll ich Euch noch an die Casinobewegnng erin-
ne:n, die gerade in Eurer Intoleranz die 'nächste
Veranlassung zu ihrem Entstehen fand? In jäm-
merlicher Angst' habt Ihr die Polizei dagegen an-
gerufen, habt das reaktionärste Vereins-Gesetz für
Euch ansgebeutet, und als alle diese Hülfsmittel
nichts fruchteten, da kam es zur 'Schandthat in
*) Theseus ivar ein alter griechischer Gesetzgeher, der aber
viel verständiger und vorsichtiger zu Werk ging als unsere
modernen Kathedcrreformatorcn, und an dein sich auch die
Gothaer ein Exeinxel nehmen könnten. D. Red.