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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1865

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Nr.28 (4. November)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43886#0121
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113

Weise sie ohne zu große Blamage in das richtige
Fahrwasser der neuesten Aera einlenken können.
88 Bruchsal, 29. Okt. In der letzten Nummer
der Heidelberger Zeitung schreit ein Amtsrevident
am Neckar gewaltig nach Abhülfe von Mißständen,
Aushülfe im Geschäft und Ertheilung von Gnaden-
spenden.
Hören wir diesen Schrei etwas näher" an, so
müssen wir zugeben, daß der Titel „Rechnungs-
steller" besonders in neuester Zeit im öffentlichen
Leben den 8- ? „sonstige Einnahme" betr. im Ge-
meinderechnungswesen vertritt, — denn unter diese
Rubrik wird registrirt, was sonst nirgendshin passen
will. Unter diesem Namen zahlen Winkeladvokaten,
Agenten des Nationalvereins und Andere ohne eine
bestimmt nennbare Beschäftigung, denen kein Rech-
ner ein Blatt Papier anvertraut, Abgaben an den
Staat, um einen Nahrungszweig nachznweisen und
nicht ausgewiesen zu werden. Betrachten wir aber
die andere Klaffe von Rechnungsstellern, welche ver-
suchsweise, wie Aktuare, Rathschreiber rc., ohne vom
Rechnungswesen überhaupt nur einen Begriff zu
haben, sich wirklich mit Rechnungsstellen befassen,
so sehen wir diese bescheiden den betretenen Schau-
platz wieder verlassen, weil sie hier keine Rolle
spielen können, wenn sie von dem Revidenten nicht
unterstützt und gehoben werden. Diese lassen sich
hiernach in zwei Gruppen scheiden, in solche, welche
die hohe Gunst eines Amtsrevidenten besitzen oder
irgendwie zu erwerben wissen, und in solche, welche
sich in entgegengesetzter Lage befinden. Diese Er-
steren werden mit oder ohne die angeregte Prüfung
ruhig weiter pfuschen, von dem Gnadenspender em-
pfohlen und dadurch tüchtige Rechnungssteller ver-
kürzt werden.
Das Projekt scheint darauf auszugehen, aus einem
Amtsrevidenten eine einflußreiche Persönlichkeit des
Amtsbezirkes schaffen zu wollen. Die leitenden Be-
hörden werden den Kern von der Schaale zu unter-
scheiden wissen, und sollen durch diese Zeilen nur
darauf aufmerksam gemacht werden, daß einem so
an Gnadenreichthum armen Patienten vor allen
anderen ärztliche Behandlung Noth thnt.
Freiburg, 26. Okt. Daß mit der Beseitigung
des Herrn Knies doch Etwas gewonnen ist, zeigt
der Groll, womit die freiheitsnehmerischen Blätter
davon reden. Viel ist nicht gewonnen, denn so
lange die Schulreform besteht, werden Hader,
Parteiung und Zwietracht in Stadt und Land fort-
dauern, — bekanntlich die Hauptfrucht der un-
serm armen Lande aüfgehalsten Neuerung. Aber
Einiges doch ist gewonnen: der neue Oberschuldirektor
v. Seyfried ist erstens ein badisches Landes-
kind, gehört somit nicht zur Fremdenlegion; er ist
zweitens kein fanatischeü-Gegner des positiven
Christenthums, er ist drittens — Gott sei Lob
und Dank! — kein Professor und hat sich viertens
noch niemals durch rechtloses, gewaltthätiges Drein-
fahren ausgezeichnet. Der Bote war von Anbeginn

gegen die professorenhafte Schulneuerung und für
Unterrichtsfreiheit. Ohne letztere sieht er kein gründ-
liches Heil. Er hat ein Recht, jetzt erst recht dem
Lande sagen zu helfen, was der mit Land und
Leuten, christlichen Anschauungen und Rechtsgrund-
sätzen, sowie mit dem Volksschulwesen unbekannte,
keineswegs freisinnige, aber gewältthätige Herr Knies
seit 3 Jahren geleistet hat. „An den Früchten sollt
ihr sie kennen lernen!" die neuärarischen Herren
alle und der Reihe nach. (Freib. Bote.)
Bulletin aus der Jntelligenzstadt.
Die Schenkeln oth ist ihrem Höhepunkt nahe.
Das gothaische Kreuzpflästerchen III. Nasse, auf
das kranke Glied des Halbgöttercollegiums geklebt,
vermochte das Fortschreiten des Nebels nicht zu
hemmen. Ein „Kreuz" auf den „Schenkel" will
allerdings sich auch gar nicht reimen. Gar noch
das schmerzliche Tüpfen mit Höllenstein und das
Einspannen in den Knieriemen des Meister Flaschon
hat — anstatt die Krankheit zu heilen — dieselbe
so rapid gesteigert, daß eine Amputation des kran-
ken Gliedes unausbleiblich ist. Wie man behauptet,
soll dieselbe durch einen jüngst in Karlsruhe an-
sässig gewordenen hohen praktischen Arzt vollzogen
oder doch instruirt werden. — Schließlich ist zu
berichten, daß ein vom Auslande importirter Ar-
tikel, der kürzlich noch etwas „Unvermeidliches"
war, in den letzten Tagen so an Credit verloren
hat, daß er als ganz entbehrlich geworden wohlfeil
wieder abgegeben wird, am liebsten an den Ort
seines Ursprungs.
Heidelberg, 2. Novbr. Unsere Correspondenz
aus Bruchsal in Nummer 26 des Boten müssen
wir nach zuverlässigen Nachrichten dahin berichtigen,
daß den Gebrüdern Müller, denen ein glänzender
Ruf als Künstler vorausgeht, keinerlei Vorwurf dem
Publikum gegenüber zur Last 'gelegt werden kann,
sondern daß sie vielmehr selbst durch ein betrügeri-
sches Subjekt geschwindelt worden, düs den Namen
jener achtbaren Künstler mißbrauchte, um sich die
Taschen zu stillen und dann das Weite zu suchen.
Wir bedauern um so mehr, daß die hochangesehenen
Künstler das Opfer eines so schändlichen Betruges
geworden sind, als wir selbst unwissentlich dazu
beigetragen haben, die ihnen widerfahrene Unan-
nehmlichkeit noch zu vergrößern. Dies zur Ehren-
rettung der Herren Müller! D. Red.
Notabene!
nicht zu ver-
gessen!
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