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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1865

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Nr.40 (2. Dezember)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43886#0168
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gesorgt. Die Majorität hat's ja so beliebt, und
die Majorität ist liberal!
Was sollen wir ferner von der Verwerfung jenes
Antrages sagen, der den Kreisversammlungen das
Recht vindicirte, die Wahlacten selbst zu prüfen?
Uns dünkt, eine Versammlung gibt sich selbst aus,
welche sich die Aufrechthaltung oder Erwerbung die-
ses Rechtes nicht zur Aufgabe macht. Jedenfalls
war es liberal, einen desfalsigen Antrag zu stellen,
servil aber ihn abzulehnen. Und gestellt wurde er
im Kreis Karlsruhe durch einen Clericalen. Ueber
einen andern Punkt brauchen wir uns nicht weiter
zu äußern, da es schon mit einer Schärfe und Wucht
geschehen ist, die nichts zu wünschen übrig läßt.
Die ganze demokratische Presse hat ihr Vernichtungs-
urtheil ausgesprochen über ein System, welches die
Macht, die "in den amtlichen Verkündigungen liegt,
dazu benutzt, sich in den Localblättern auf dem
Zwangswege eine Parteipresse zu schaffen. Eines
solchen Depotismus ist nur eine Partei fähig, die,
um sich die Zukunft zu sichern, das Unterrichts-
monopol nöthig hat. Damit ist Alles gesagt.
Rechnen wir nun die aufgezählten Posten zusam-
men, so kommen wir zu folgendem Resultate: Die
sog. Liberalen haben, fei es nun, daß es den Cleri-
calen zum Trotz, oder daß es aus weiß Gott was
für andern Gründen geschah, ein Zeugniß abgelegt,
daß sie den Namen „liberal" nur dann beanspru-
chen können, wenn man damit den Begriff des
Gegentheils verbindet. Die sog. Clericalen hingegen
haben gezeigt, daß es ihnen mit ihrer Parole Ernst
ist: Freisinnige Entwicklung auf der Grundlage
des Rechtes und der Gleichberechtigung.
Angesichts dieser durch Thatsachen gestützten Be-
hauptung stellen wir nun an die Bezirksräthe des
Bezirks Bruchsal, welche mit Ausnahme eines ehren-
werthen Mannes, die Stirne hatten, in einem amt-
lichen Aufrufe zu erklären, es lei eine Schande für
das badische Land, wenn diese Männer (die Cleri-
calen) in die Kreisversammlung kämen, die Frage,
ob sie es nicht im Interesse ihrer Amtsehre für gut
finden, diese Aussage zu widerrufen? Jedenfalls
empfehlen wir ihnen diese Frage zu einen: eingehen-
deren Nachdenken.

Heidelberg, 30. Nov. Wie wir aus öffent-
lichen Blättern lesen, soll am 3. Dez. eine sog. „alt-
katholische" Versammlung in der Harmonie ^ge-
halten werden, indem man von auchkatholischer Seite
damit umgeht, ein Auchcasino in hiesiger Stadt zu
errichten. Wir halten es kann: für nöthig, ein
Wort über derartige lächerliche Nachäffereien zu ver-
lieren. Wir sind sehr begierig zu erfahren, was
eigentlich das religiöse Glaubensbekenntniß dieser
Leute ist, die sich „Altkatholiken" nennen, da wir
in ihrem Programm wohl viel von einem Cassier,
der die Hauptperson zu werden verspricht, aber nichts,
was einen positiven Standpunkt andeutet, gelesen

haben. Sehr natürlich! der ganze Schwindel soll
ja nnr auf eiuer Verneinung alles Kirchlichen über-
haupt bestehen! Seid offen und ehrlich, Ihr Herren:
werft die Maske ab und bekennt Euch frank und
frei zur Lehre Ronge's und seines Anhangs! Aber
laßt die blödsinnige HanSwurstiade mit Eurem
„Altkatholicismus," wenn man sieht, daß Ihr fast
lauter Leute seid, die nie eine katholische Kirche be-
treten, gar nicht wissen wie» drin aussicht, Leute,
die von jeher alles thnn, um gegen die katholische
Kirche zu arbeiten, Leute, die zum Theil offen ihren
Beifall über die Mannheimer Bubenexcesse geäußert
haben, wo nian die Priester ihrer Kirche mißhan-
delt, sogar durch Judenhände mißhandelt hat, Leute,
die nur dann sich ihres Katholicismus erinnern,
wenn sie, wie bei der hiesigen Stiftungswahl, Ge-
legenheit finden, die offensten Gegner ihrer Kirche
auf den Wahlzettel zu setzen, oder wo es gilt, etwas
von der Kirche zu erhalten, das Geld einbringt,
wie z. B. eine fette Rcchnerstelle, Leute, die statt
auf Bischof und Papst zu hören, den abgefallenen,
weibertollen Auchpriesteru nachlaufcn und die dein:
deutschen Bruderherz ihre Ostern feiern! Glück auf
den Weg, den Laufpaß wird Euch die Kirche schon
geben, sobald sie Euren Namen in den Paß schrei-
ben kann.
* Heidelberg, 28. Nov. Unser lieber Kraich-
gaubote drückt in einem Artikel, überschrieben „der
Erfolg der Kreisversammlungen," sein Erstaunen
aus, nein, er stellt sich aus den Kopf! Er sagt: „Hat
doch sogar in Heidelberg Hr. Lindau sich mit er-
hoben, als man dem Präsidenten Bluntschli für
seine vortreffliche Leitung der Versammlung dankte."
Edler College Bote! Was willst Du denn damit
eigentlich sagen? Wohl soviel, daß Du Dich wun-
derst, daß Hr. Lindau so viel Anstand wisse, um
auch seinen: politischen Gegner da Anerkennung zu
zollen, wo er sie verdient! Nun Kraichgauerbote,
daß Du diesen Anstand nicht besitzest, daß Du
Deinen Gegnern nirgends Anerkennung zollst, auch
dort nicht wo sie geboten wäre, das versteht sich
von selbst. Du wärest ja nicht sortschrittlich-aufge-
klärt-liberal! Wir begreifen also Deine Verwun-
derung über Hrn. Lindaus Erheben von seinen: Sitze.
Aber anstandsloser Kraichgaubote! In demselben
Artikel steht ja gar Nichts über den „Erfolg der
Kreisversammlungen" in Heidelberg. Hr. Lindau
hat dort doch noch etwas (für Dich) Wichtigeres
gethan, als was Dir oben das Wichtigste schien.
Er hat gegen die schlechten Zugaben in den Ver-
kündigungsblättern gesprochen, welche noch obendrein
theuer bezahlt werden sollen. Warte edler College!
Lindau's Antrag wird doch bald angenommen werden,
wenn Du ihn auch hübsch todtschweigest. Vielleicht
gefällt Dir dann zum ersten Male die neue Aera
nicht, wenn sie an Deinen Geldbeutel rührt, während
wir sie hassen, weil sie unsere Gewissensfreiheit schmä-
lert. Halte ihn fest. Deinen Geldbeutel, wie wir
sie hoch hakten, die religiöse Freiheit!
 
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