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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 75-88 (1. Juli - 31. Juli)
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Donnerstag den 29. Juli

1869.

Katholische Volkspartei.

Weitere Adressen an S. Kgl. Hoheit den Großherzog mit der

dringenden Bitte um Kammerauflöfung sind abgegangen:
Von Weildorf von
52 Staatsbürgern.
Messelhausen
85
Birndorf >
Birkingen
193
//
Buch I
//
Atzenbach
32
//
Riedichen
39
Uebertrag von letzter Nummer
66,356
Uebertrag:
66,757 Staatsbürgern.

Eine Rede des Professors Brinz.
Der Zollparlaments-Abgeordnete Dr. Ammermüller er-
stattete kürzlich Bericht an seine Wähler in Tübingen über die
Resultate der diesjährigen Session in Berlin. Die Versammlung
wurde vom Vorsitzenden Prof. Brinz also geschloffen:
„Meine Herren! Aus der Berichterstattung des Herrn Dr.
Ammermüller ging, was wir auch sonst schon hörten, hervor,
daß das Zollparlament nicht darnach angethan sei, Vollparlament
zu werden. Diese Thatsache dringt mir eine Wahrnehmung von
allgemeinerem Interesse auf: daß Niemand ist, der sich dem Gesetze
zu entziehen vermag. Wer das Recht mit Gewalt niedergetreten,
der verfällt dem Gesetze der Gewalt und ihm sehen wir Preußen
in zweifacher Weise verfallen. Einmal dadurch, daß der Staat,
welcher keine Rücksicht nahm auf die rechtlichen Bande, die ihn
mit uns verknüpften, Rücksicht nehmen muß auf das Ausland;
dann aber dadurch, daß sein Bestreben nothwendig darauf gerich-
tet sein muß, sich »ks Staat zu vergrößern. Wem gilt nun dieses
Bestreben? Sicherlich doch uns. Vor 1866 waren wir 1000jährige
Reichs-, 50jährige Bundesgenossen Preußens, jetzt sind wir recht-
lich Fremde. Und halte uns Niemand entgegen, daß wir rechtlich
fremd sind und zwar socüi pessinasö eouäitionis, die nächste Ziel-
scheibe von Preußens Eroberungssucht.
Darum, meine Herren, ist es jetzt an uns zusammenzustehen
und zu agitiren, denn irre ich mich nicht, so werden die finster-
sten Pläne ausgebrütet. — Glauben Sie ja nicht, daß der Mann
in Varzin durch die Anzeichen einer Bewegung in Preußen sich
davon abhalten lasse, seine Truppen uns ins Land zu schicken
(und er hat das Recht dazu, kraft der Verträge); wann er sie aber
zurückziehen wird, das ist eine andere Frage. Aus dieser Perspective
ergibt sich für uns die ^rage, ob man sich nicht in Frieden stellen
soll mit dieser Gewalt. Verschieden ist die Antwort, je nach dem
Standpunkt des Fragestellers; ein Factor des Staates ist durch
das Verhältniß, in welchem wir mit Preußen stehen, in seiner
Existenz gefährdet; der andere dagegen, das Volk, kann nie um
seine Existenz gebracht werden; es überlebt Alles, selbst das Aergfte.
Für das Volk stellt sich daher die Frage nicht nach der Existenz,
sondern nach der guten Existenz, welche bedingt ist durch Recht
und Freiheit. Diese aber gewinnen wir durch Freundschaft mit
Preußen nicht. Volk und Fürst hat eine andere Politik. Wir
verlangen nur von unserem Fürsten, daß er seine Existenz nicht
über das Glück der Volks-Existenz setze, nur im Zusammenhänge
mit dem Volke kann der Fürst Treue und Halt finden.
Es könnte sich noch die Frage erheben, ob man nicht mit
Hintansetzung alles Andern an Preußen sich anschließen solle im
Glauben, daß die Dinge dort nur jetzt noch nicht reif, die Hoff-
nung aber nicht ausgeschlossen sei, daß sie sich zum Bessern wen-
den. Aber wenn jetzt Bismarck käme und verspräche sich zu ändern,
könnten und dürften wir ihm die That von 1866 verzeihen?
Nie! Aber wir dürfen ruhig sein, er kommt nicht, denn der Zu-
stand ist ein unbedingter, kein provisorischer. Die Regierung kann
sich nicht ändern. Ja, wenn das preußische Volk die rettende
That thäte, wenn dort etwas geschähe für Freiheit und Recht, dann
wären auch wir wieder da."
Bis dahin aber ermahnt der Redner die Versammelten um
so fester zusammen zu stehen für die Lösung unserer schweren Auf-
gabe, und schließt mit einem Hoch auf das in Freiheit aeeiniate
Deutschland, die Versammlung!

Süddeutschland.
Heidelberg, 24. Juli. Der ebenso unermüdliche, als ge-
wissenhafte Abgeordnete Moritz Mo hl hat in einem Briefe, wel-
chen die Jagstzeitung (Nr. 81 und 82) veröffentlicht, Bericht an
seine Wähler über die Verhandlungen des Zollparlaments erstattet.
Er rechtfertigt darin die Haltung der süddeutschen Fraction und
bedauert insbesondere im Interesse der Landwirthschaft die Erhöhung
der Besteuerung des inländischen Zuckers, wie die Herabsetzung der
Steuer für den ausländischen — ein Verfahren, wobei nur England,
Holland und Frankreich gewinnen könne. Der glücklicherweise nicht
zur Ausführung gelangte Tarifsgesetzentwurf wurde von Mohl
lebhaft bekämpft und zwar einmal wegen seiner allgemeinen Ten-
denz zu Gunsten des Freihandels und speciell wegen der beabsich-
tigten noch tieferen Herabsetzung der Zölle auf fremdes Eisen, fremde
Eisenwaaren, fremde Baumwollengarne, Leinengarne und Leinwand,
fremde Chemikalien rc. Weiter macht Mohl darauf aufmerksam,
daß das Fallen der Petroleumssteuer nur der Abstimmung der
süddeutschen Fraction zu verdanken war. Endlich spricht er sich
über eine Maßregel bezüglich der Zollordnung folgendermaßen aus:
„Etwas sehr Bedauerliches ist in dem Entwürfe der Zollord-
nung beantragt und (5. Protokoll, S. 35 u. s.) auch beschlossen
worden, nämlich die Aufhebung der Anmeldungspflicht unverpackter
zollfreier Einfuhr und (gleichviel ob verpackt oder unverpackt)
der zollfreien, also, mit Ausnahme der Lumpen, aller Ausfuhr-
güter, welche Maßregel in keinem Staate von europäischer Bil-
dung, auch in England nicht, besteht. Ich bekämpfte vergeblich
diese Bestimmungen, durch welche die Erlangung einer UebersichL
über die Ein- und Ausfuhren des Zollvereins, man mag andere
Vorkehrungen dafür treffen, welche man will, mindestens sehr un-
sicher werden wird. Der Nachtheil dieser Maßregel ist eben so
groß für die Handelswelt, als erschwerend für eine sachkundige
Verhandlung über Handelsverträge und über Gesetzgebungsfragen,
sowie für ihre richtige Beurtheilung. Politische Gesichtspunkte wur-
den zwar von einigen nationalliberalen Abgeordneten mit Haaren
herbeigezogen und in ihre Vorträge verflochten. Wir haben uns
jedoch in der süddeutschen Fraktion zu einer Erwiderung allerseits
nicht bemüßigt gefunden, da unsere entgegengesetzte entschiedene
Stellung bekannt genug ist, und man in einer Versammlung, welche
nach Hause will, nicht auf Alles sich einlassen kann.
Ueber die politische Lage kann ich nur den Eindruck wieder-
geben, daß darin eine vollkommene Windstille zu Berlin zu herr-
schen schien, soweit für unsere Fühlung erkennbar; daß aber Preu-
ßen für die Eventualität eines möglichen Kriegs so vollständig ge-
rüstet ist, um jederzeit in der kürzesten Frist mit allen seinen
Armeekorps auf den bedrohten Punkten erscheinen zu können.
— Heidelberg, 27. Juli. Die heutige Karlsruher Zeitung
rupft wieder einmal ein Hühnchen mit dem Württemberger Staats-
anzeiger. Wir bedauern, letzteren nicht, zu besitzen (vielleicht schickt
uns ein gutherziger Schwabe die betreffenden Nummern), müssen
daher den Zusammenhang aus unserer badischen Officiösen ent-
ziffern. Hiernach soll der Correspondent des Württemberger
Staatsanzeigers aus Karlsruhe mit Vorliebe bei kleinen Scanda-
len verweilen, „gegen deren zeitweises Vorkommen (wie unser
Jollyblatt behauptet) natürlich Baden so wenig als ein anderes
Land durch eine bis an jede Bewegung jedes Individuums hin-
reichende Präventiv-Polizei gesichert ist." Gegen diesen Satz darf
doch wohl jeder auf Anstand haltende Badener eine Einrede er-
heben; denn es gibt in unserem Lande nicht mehr ein „zeit-
weises Vorkommen" kleiner Scandale, sondern ein
permanentes Vorkommen großer Scandale, und dazu
trägt die gesammte Amtspresse und insbesondere die Karlsruher
Zeitung redlich bei. Wenn die schamlosesten Artikel des Emmer-
ling'schen Käseblattes und des Tauberbischofsheimer Schandblattes
einen Widerhall finden in dem officiellen Organ der Regierung,
wenn dasselbe nicht ein Wort der Entrüstung bringt für Scandale,
wie sie in der Schulkapelle zu Heidelberg und an andern Orten
vorfielen, dann muß es gewiß weit gekommen sein in dem Staate,
der so oft als an der Spitze der „Bildung" stehend von Seite der
Nationalservilen gelobhudelt wurde. Die edle Karlsruherin repro-
ducirt den Ausruf des württemb. Anzeigers: „In der (badischen)
Presse herrscht gegenwärtig ein ungemein grober Ton" uno läßt
hieraus das liebe Klärchen mit der Frage auftreten: „Hast Du
 
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