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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 75-88 (1. Juli - 31. Juli)
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- 342

diese stolze Erfahrung an Dir selbst gemacht?" Wir sind überzeugt,
daß der Schwabe die Antwort hierauf nicht schuldig bleiben wird.
Denn wie himmelweit ist der Zustand der Presse in Württemberg
von jenem in Baden verschieden, und welche andere Rolle spielt
die Regierung in Württemberg gegenüber der Presse, als das
badische Regime! Jdentificiren sich etwa in Württemberg die
Minister mit einer von Leidenschaft durch und durch verbissenen
Partei? Finden sie etwa eine „Lücke" in ihrer die Verpreußung
noch nicht aussprechenden Verfassung? Cajoliren sie etwa den
Bettelpreußen, die ihr Land und Leute insbesondere das Militär
an den Pranger stellen? Ist für sie etwa das politische oder reli-
giöse Glaubensbekenntniß bei Beförderungen oder Maßregelungen
der Staatsbeamte entscheidend? Kennen sie etwa einen Haß gegen
die Katholiken und beanspruchen sie weiter eine nie dagewesene
Einmischung in die Wahl des kirchlichen Oberhauptes? Suchen
sie nicht vielmehr die confessionellen Gegensätze in Kirche und
Schule auf honnete Weise auszugleichen? Und was die Presse be-
trifft, ist da nur ein einziger Preßproceß von Staatswegen ge-
pflogen worden? Und worin besteht die „stolze Erfahrung", die
in dieser Beziehung die württemb. Minister gemacht haben? Daß
sie fester stehen in der öffentlichen Meinung, als ihre Collegen in
Baden. Latis!
Hr Heidelberg, 26. Juli. Die bettelpreußischen Blätter in
Süddeutschland sind angewiesen, die Behauptung, daß die Prügel-
strafe beim preußischen Militär noch bestehe, zu leugnen. Nun
muß aber die Magdeburger Zeitung, ein bismärck'sches Organ,
folgendes Zugeständniß machen:
„Die Prügelstrafe in der preußischen Armee ist zwar als
Strafe im engern Sinne aufgehoben, als Disciplinarmittel aber
in Kriegszeiten gegen Soldaten zweiter Klaffe ist sie fortwährend
in Geltung. Zu solchen Zeiten kann nach der Disciplinarstraf-
ordnung von 1867 jeder Officier bis zum Bataillons-Commandeur
gegen Soldaten und Landwehrleute zweiter Klasse bis zu 40 Stock-
prügel erkennen. Ja die Verordnung von 1867 enthält noch eine
Verschärfung, indem nach frühern Bestimmungen nur auf höchstens
30 Stockprügel erkannt werden durfte. Und dabei ist wohl zu
beachten, daß schon ein kleines Vergehen gegen das Eigenthum,
ein qualificirter Holz - oder Wildfrevel, eine in der Noth begangene
Entwendung genügen kann, um einen Soldaten in die zweite
Klaffe zu versetzen".
/X Tauberbischofsheim. Ein von den Staatsbehörden ge-
hegtes und unterstützt werdendes Amtsverkündigungsblatt soll und
darf kein Schmäh- und Lügenblatt sein, indem man sonst leicht
annehmen könnte, daß man von oben herab an Schmähungen und
Lügen Wohlgefallen habe. Ein Verkündigungsblatt muß aber auch,
wenn es zweckentsprechend und als Verkündigungsorgan dienen
soll, ein verbreitetes und gerne gelesenes sein. Ein Schmäh- und
Lügenblatt mag dagegen kein ordentlicher Mann lesen, es widert
ihn an und erscheint verächtlich; demnach kann es nicht als Amts-
verkündiger dienen. Dies ist leider bei der „Tauber" jetzt und
schon seit längerer Zeit der Fall. Keine Nummer dieses Blattes
scheint ohne große Lügen und ohne gemeine Verläumdungen.
Wir wollen nur aus neuerer Zeit die wirklich herzlose ge-
meine Schmähung des greisen Decans zu Dittigheim herausheben,
dessen hohes Alter und dadurch schwächlicher Körper öffentlich
lächerlich zu machen gesucht wurde.
Dr. Vissing wurde als der größte Ignorant ohne alle Redner-
gabe hingestellt und behauptet, daß sein Anhang dahier vollkom-
men geschwunden und daß bei der Versammlung zu Werbach kaum
200 Menschen gewesen seien, daß Bissing beim Abfahren vom Bahn-
hof dahier sich Schmähungen erlaubt habe, ohne daß ihm dazu
durch die Servilen Veranlassung gegeben worden und daß es zu
wundern sei, daß nicht „Lynchjustiz" stattgefunden hätte. Jedes
Kind auf der Straße und jeder Bewohner unserer Gegend weiß
aber, daß von alle dcm gerade das Gegentheil der Fall gewesen
ist, und daß nach Verlauf der großen Masse von einem aufge-
stellten kleinen Häuflein gebildet sein wollender Jungen und Män-
ner Dr. Bissing am Bahnhof zu Tauberbischofsheim durch höhni-
sches Schreien auf eine gemeine Weise verhöhnt wurde, so daß
ein einfacher Bauer diesen Leuten kräftig sagte, sie sollten ihrer
Gemeinheit sich schämen, und daß hierauf Jene sich katzenbuckelig
entfernten, welche noch etwas Schamgefühl haben, wahrscheinlich
befürchtend, daß an ihnen „Lynchjustiz" geübt werden könne. Solche
Lügen u. Verhöhnungen, namentlich auch von Seiten der „Tauber",
haben unserer Stadt schon oft Schaden genug gebracht, und es
wird mit jedem Tag ärger und unser Stäbchen mehr veröden,
wenn die ordentlichen Bürger nicht dem schädlichen Treiben ent-
schieden und mit Macht kräftig entgegenireten und nicht für ein
anderes Anusverkündigungsblatt sorgen. Unsere Nachbarstadt
Wertheim ist eine protestantische, kaum ein Drittel der Einwohner
sind Katholiken. Alle leben einig, jede Partei ehrt und achtet die
Meinung der anderen, zweimal waren dort schon Jesuiten-Missio-
nen. Wie die Katholiken, so haben die Protestanten deren Reden
mit Ruhe und Anstand angehört, Keinem wurde etwas in den
Pöeg gelegt. Und wenn einem derselben widerfahren wäre, was
Bissing am Bahnhof zu Tauberbischofsheim geschehen ist, hätten

Leute aus allen Ständen solchen Unfug gehörig gerügt. Nur
immer zu, Ihr Unklugen; es bringt der Stadt keine Rosen und
Euer Zweck wird ganz verfehlt, Ihr arbeitet Euch selbst entgegen!
Lasset die Bewohner der Nachbarorte nach eigener Ueberzeugung
wählen — der frühere Verkehr wird bald wieder hergestellt sein.
Herr Lang aber handelt höchst unklug, wenn er in seinem Blatt
auf Lynchjustiz aufmerksam macht. Denn diese dürfte ihm
bitterer aufstoßen, als Hrn. Dr. Bissing und war es namentlich
ein Glück, daß die große Masse vom Bahnhof schon weg gewesen
ist, als dort der unangenehme Scandal vorfiel, worüber Dr. Bissing
im gerechten Unwillen und in entschuldbarer Aufregung sich lebhaft
äußerte, jedoch nicht in der Weise, wie die „Tauber" und Amt-
mann Schmieder behaupteten.
— Von der Tauber. Mit ungeheurem Pomp war die Ver-
sammlung der „Deutsch-Freisinnigen" auf Sonntag 25. d. M. nach
Bischofsheim angekündet; nach allen Seiten waren Einladungen
ergangen. Nach den gemachten Vorbereitungen hätte man glauben
sollen, die Versammlung würde eine der großartigsten der National-
vereinler werden; allein wie sahen sich die Führer getäuscht. Kaum
2000 waren anwesend, darunter viele müßige Zuschauer, Weibs-
personen, Schulkinder. Lamey, der lorbeerumkränzte, sprach so
leise, daß es kaum auf 30 Schritte Entfernung verstanden wurde;
der Mann ist gealtert und schwach geworden, deßwegen las er
seine Rede ab; auch 4000 fl. Pension schützen vor Alter und
Thorheit nicht, denn thöricht sprach Lamey, wenn er den Tauber-
gründlern die ihnen gebrachten eminenten Vortheile Prenßens vor
Augen führte. Die Hoch, die ihm gebracht wurden, gingen von
Weißbestrohuteten aus, die aus dem Schüpfergrund und von Wert-
heims Gefielden gekommen waren. Das Tauberthal verhielt sich
ruhig. Bischofsheim selbst wollte mit wenigen Ausnahmen nicht
in den Jodel miteinstimmen. Prof. Bunkofer hatte am Morgen
des Tages in seiner Predigt dafür gesorgt. Täuberlein, Täuber-
lein, wie hast du dich an dem verguckt. Dem Lamey folgte
Bluntschli, der Vater der Freimaurer, Badens erster Logenbruder;
seine Stimme war vernehmbar. Was sprach er wohl, der Schurz-
fellmann? Er hätte besser geschwiegen. Das katholische Volk will
von den Segnungen Luthers Nichts wissen, und läßt seinen Glau-
ben nicht verhöhnen. Zu einem katholischen Volke sprechen von
den Wohlthaten der Reformation, von Unterdrückung und Geistes-
knechtung, von Herrschsucht der kathol. Geistlichen, von den Knuten
und Scorpionen, wenn Oesterreich 1866 gesiegt, ist Wasser in den
Rhein getragen. Das Volk glaubt euch nicht, Ihr Herren! es
kennt Euch nur zu gut aus manchen Vorgängen. Das Volk
will sich trotz eurer schönen Reden nicht verpreußen lassen, es
kennt die Segnungen aus anno 1848 und 1849 und aus anno
1866. Ihr hättet besser geschwiegen. Noch em solcher Sieg und
Ihr seid im Taubergrunde wenigstens verloren. Es wird diesen
Herren nicht belieben, eine zweite Versammlung abzuhalten.
Aus dem Tauberthal. Welcher Jubel, welche Freude,
war bereitet uns anheute, in dem deutschen Bischofsheim. Fahnen
und Kranzgewinoe, Feuerwehr, Musik, Böllerschießen! Ach von
Allem Nichts, trotz Lamey, Bluntschli und Consorten. Der Markt-
platz, allwv die Rednerbühne aufgeschlagen war, zeigte einige Fahnen.
Das Rathhaus war deutschfreisinnig geworden, ebenso das Haus
des Bürgermeisters, des Reoacteurs Lang und einiger Liberalen;
die meisten Häuser sahen aus wie gewöhnlich. Und Bischofsheim
soll dadurch seinen alten Ruhm gewahrt haben, denn die ersten
Größen der Nationalliberalen waren ja geladen, die Bekehrung
der Stadt vorzunehmen, und — sie sind schmählich — abge-
fahren.
O undankbare Stadt, die du die Propheten nicht hörest, son-
dern ihrer spottest; wie oft wollte man dich bettelpreußisch machen
zu können.
Li. Tauberbischofsheim, 24. Juli. Heute früh war eine
Anzahl Württemberger Militär hier, um das Grab ihrer im Jahr
1866 gefallenen Brüder zu besuchen. Schreiber dieses hat sich
seine eigenen Gedanken dabei gemacht, als er die ganze liberale
Burschenschaft auf höheres Commando hinwandeln sah zum Grabe
jener gefallenen biedern Württemberger, — hinwandeln zum Grabe
jener, die Blut und Leben gelassen haben für die Erhaltung und
für die Selbständigkeit ihres Vaterlandes, die da gekämpft haben
gegen Preußen, das jenen schmählichen Bruderkrieg heraufbeschworen
hat. Am Grabe so wackerer deutscher Männer, wie die Gefallenen
waren, nimmt sich ein liberaler Bettelpreuße gar wehemüthig —
lächerlich aus, der gerne ohne Schwertstreich Süddeutschland mit
dem preußischen Pumpernickel zusammenbacken möchte, Süddeutsch-
land soll ja auch noch die Heizung, das Schmalz und die sonsti-
gen Auslagen, stellen für den Backofen jenseits des Maines.
Baden, 26. Juli. Gestern fand hier eine unter dem
Vorsitz von Kaufmann Reichert zahlreich besuchte Wahlversamm-
lung im Gasthaus zum „grünen Hof" statt, zu welcher auf ergangene
Einladung der Zollparlamentsabgeordnete Dr. Bissing erschienen
war. Als Redner traten auf die Herren Lieutenant a. D. Fischer,
Redacteur B erberich, Dr. Bissing, Decan Lender und Brun-
nenmeister Meyer. Die Rede Bffsings über die Aufgabe eines
Abgeordneten der Volkspartei wurde mit dem stürmischsten Applaus
 
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