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Pfuhl, Ernst
Die Anfänge der griechischen Bildniskunst: ein Beitrag zur Geschichte der Individualität — München: Bruckmann, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.45258#0020
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sehen Meister, den er als Menschenbildner, als Schöpfer leibhaftiger
Menschen mit allem Realismus auch der häßlichen Erscheinung den Bild-
nern idealer Göttergestalten gegenüberstellt, als ausgesprochenen Veri-
sten; und Quintilian bemerkt, daß er in dieser Richtung zu weit gegan-
gen sei, während Praxiteles und Lysipp das rechte Maaß in der Natur-
wahrheit hielten. Der unbefangene Leser wird meinen, es handle sich
um einen Meister der Alexanderzeit oder allenfalls der Mitte des 4. Jahr-
hunderts, einen Zeitgenossen der verglichenen Großmeister und damit
auch des Lysistratos; ein Widerspruch liege hier nicht vor.
Anders die geltende Fachmeinung: Weil Demetrios die Statue eines
vielleicht schon im Jahre 424 von Aristophanes als Obersten erwähnten
Ritters Simon geschaffen habe — die Gleichsetzung ist nichts weniger
als sicher, aber immerhin möglich — müsse seine Tätigkeit bereits
gegen Ende des 5. Jahrhunderts oder spätestens um die Jahrhundert-
wende begonnen haben. Damit schien für die Bildnisse des alten Sopho-
kles, des Euripides und des Archidamos der frühe Ansatz ermöglicht zu
sein und es schien sich auch der kunstgeschichtliche wie der geistesge-
schichtliche Zusammenhang herstellen zu lassen: Man hat auf die auf-
fälligste Gruppe unter den oben erwähnten Charakterstudien des 5. Jahr-
Taf.xl—5 hunderts hingewiesen, die Kentaurenköpfe der Parthenonmetopen, des
Theseion, des Tempels von Phigalia, des lykischen Sarkophages aus
Sidon13), und in dem Subjektivismus und Individualismus der Sophistik
schien die geistige Voraussetzung gegeben.
Dies alles sind Trugschlüsse, die einmal mit aller Bestimmtheit und
nicht nur andeutungsweise als solche gekennzeichnet werden müssen.
Die Vorstellung von einer doppelten Wellenbewegung in der Geschichte
des griechischen Bildnisses ist gänzlich unhaltbar und voller kunstge-
schichtlicher wie geistesgeschichtlicher Anachronismen. Man nimmt an,
Standpunktes. Meine Meinung über viele Einzelheiten kommt auch ohne das zum Aus-
druck, so auch in der vorigen Anmerkung. Der Archidamos bleibt natürlich ganz wohl
geeignet, der Vorstellung von dem Spätstil des Demetrios einen ungefähren Anhalt zu
geben; vgl. auch den Körper des Asklepios Pitti-Massimi, Einzelaufnahmen Nr. 219,
2054. Furtwängler, Meisterwerke 275, 2 unterschätzt den Wert der Angaben des Lukian;
im gleichen Zusammenhänge steht ja doch die berühmte Charakteristik des myronischen
Diskobolen. Die scharfsinnigen Ausführungen von Reisch, Österr. Jahresh. XX 1919,
299 ff. passen gut zu dem Spätansatz des Demetrios: wenn der Bildhauer Nikomachos,
der die Statuette der Dienerin der Lysimache machte, wirklich mit dem berühmten Ma-
ler gleichzusetzen ist, so war er noch nach 330 tätig (geboren anscheinend um 390, vgl.
Malerei II 755); er wäre also ein vermutlich jüngerer Zeitgenosse des Demetrios ge-
wesen. Diesen läßt Reisch zwischen 390 und 350 arbeiten (303). Die dem Demetrios von
Arndt, Six, Sauer (N. Jahrb. XLI 1918) u. a. zugewiesenen Werke sind auf eine Zeit-
spanne von über hundert Jahren zu verteilen. Über die erhaltenen Signaturen s.Anm. 15.
«) Studniczka, N. Jahrb. V 1900, 174.

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