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wieder das Landschaftsbild änderten, liegt auf der Hand; trotzdem blieb ein Grund-
muster erstaunlich fest. Bis zum letzten Viertel des 19. Jahrhunderts gab es die ste-
henden Gewässer der Grub im Casterfeld und an der Mannheimer Gemarkungs-
grenze das Teufelsloch, an fließenden Bächen den Sporwörth-Geheugraben, den
Mallaugraben, der am Taubenwörthel in den Brückgießen überging, und vor allem
den Gießen selbst, der in Teilen bis zum Zweiten Weltkrieg Wasser führte und des-
sen Rinne erst in unseren Tagen völlig beseitigt wurde. Bis heute existiert ein Rest
dieser typisch Neckarauer Gemarkung im Waldpark und auf der Reißinsel: Bellen-
krappen und Schlauch sind Wasserläufe, wie der Gießen einer war.
Dieser war der bedeutendste und der für Neckarau prägende Wasserlauf. Neckarau
lag eigentlich nicht am Rhein, dem es den Rücken zukehrte, sondern am Gießen. Im
Gießen war der alte Zusammenfluß von Rhein und Neckar erhalten geblieben. Die
dem Dorf den Namen gebende Insel im Neckardelta, die Neckar-Aue, war, vom
Gießen umflossen, nach wie vor vorhanden. Der Gießen zerfiel in drei Teile: den
oberen Gießen, vom Fischweiher, Spiegel- oder Heidenloch, dem alten Rheinein-
lauf, bis zum ehemaligen Sauloch (heute Wilhelm-Wundt-Schule) reichend, wo er
sich in die beiden Rinnen gabelte und den Ortsetter mit dem Kappes und das ganze
Niederfeld umschloß: im Süden und Westen trennte der Nieder- oder Buschgießen
das Aufeid und den Busch (Wald) von der Ortschaft; der Rauhgießen bildete den
nördlichen und östlichen Arm. Beide Arme vereinigten sich im Westen an der
Mannheimer Gemarkungsgrenze, nahmen den Schlauch und den Bellenkrappen auf
und mündeten mit diesen in den Rhein, wo die beiden letzten noch heute münden.
Der nördliche Rauhgießen nahm an der Angel den Brückgießen auf und zwischen Al-
men und Grien die Rheinhäuser Lache.

So geschlossen dieses Flußsystem auf den alten Plänen aussieht, so gänzlich ver-
schiedenen Ursprungs ist es; denn Ober- und Niedergießen bilden einen alten
Rheinarm, während der Rauhgießen, der Brückgießen und die Rheinhäuser Lache
alte Mündungsarme des Neckars sind. Der alte Rheinarm, dessen Rest der Nieder-
gießen war, floß durch das Sauloch, erreichte unterhalb der heutigen Wörthstraße
die heutige Friedrichstraße und strömte bis zum Wörthel. Bei den Grabungsarbei-
ten, die nach 1960 für die Fernheizung durchgeführt wurden, stieß man auf das Bett
dieses Rheinarmes und fand eine Schlickschicht von 3,50-4 m Dicke vor, die sich
von der Einmündung der Rosenstraße bis zur Höhe der Firma Auto-Kress in der
Friedrichstraße hinzog. Karl Schmidt konnte seinerzeit aus dem Schlick einen Krug
aus der nachkarolingischen Zeit sicherstellen. Weiter unten im Stollenwörthgebiet
wurde 1932 das „Mannheimer Schwert" im Rheinkies gefunden.36 Diese Funde be-
weisen, daß hier noch lange ein offener Rheinarm gewesen sein muß. Deshalb sagte
man von den Häusern der Straße im Mittelalter, sie lägen „unden zu Waßer".37 Spä-
ter hieß dann die heutige Friedrichstraße „Wassergasse", worin die Erinnerung an
den strömenden Rheinarm anklingt. Der ganze Kappes war damals noch nicht trok-
ken. Erst in späterer Zeit, als aus dem Rheinarm der Niedergießen geworden war,
verkürzte sich das Flußbett. Es verlief nunmehr hinter der heutigen Rosenstraße
hinaus zum Wörthel, überquerte beim Niederbrückl den Waldweg, zog mit diesem
in einem großen Bogen bis zum Stollenwörth, ehemals ein Wörth, heute ein Bagger-
see, und mündete endlich am Bellenkrappen in den Rhein.

Anders war der Rauhgießen Teil des Neckardeltas; denn die Kiesproben aus seinem
Bett fördern groben Sandsteinkies, wie er für den Neckar typisch ist, zu Tage. Zu-
sammen mit dem Brückgießen, der Pfingstweide, die in ihrer gebogenen Form einen
alten Flußarm anzeigt, und der Rheinhäuser Lache bildete er das alte Delta des Nek-
kars. Das breite Bett des Rauhgießens (30-60 m) und die fünfbogige Brücke, die
sich ehemals am Ortseingang über den Wasserlauf spannte, beweisen, welche Was-
sermassen der Neckar hier führte. Nach 1278 verlegte der Neckar seinen Hauptlauf

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