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F. Das späte Mittelalter

1. Die fürstliche Herrschaft und Neckarau als Hausgut
der pfälzischen Witteisbacher

Als im 13. Jahrhundert der Reichsfürstenstand entstand und sich die Territorialstaa-
ten entwickelten, wurde lange kein Unterschied gemacht zwischen dem Grundbesitz
als dem Eigentum des Fürsten und dem staatlichen Territorium. Denn das, was man
seit dem 15. Jahrhundert Staat nennt, entstand aus dem Allodialbesitz oder Hausgut
einer fürstlichen Dynastie und den Lehen, die einem Fürsten vom König oder von
der Kirche zum lebenslangen Nießbrauch übertragen worden waren. Da das dyna-
stische Prinzip der Erbfolge, der Erbteilung oder des Erbanfalls herrschte, bestimm-
ten die Schicksale einer Familie in Geburt und Tod, Heirat und Witwenschaft über
Teilung oder Zusammenschluß, Entstehen oder Vergehen von Territorien. Heirats-
politik und Erbfolgekriege waren an der Tagesordnung. Erst spät setzte sich das
Erstgeburtsrecht durch - in der Pfalz erst im 17. Jahrhundert. Und daß der Staat un-
abhängig von und neben seinem Fürstenhaus existierte, drang erst im 18. Jahrhun-
dert ins allgemeine Bewußtsein. So war auch Neckarau bis ins 15. Jahrhundert so
sehr Gegenstand wittelsbachischer Familienpolitik, daß es ganz den Charakter eines
Allods der Dynastie annahm und die Lehensbindung an den Wormser Bischof kei-
nerlei Gewicht mehr hatte.

1.1. Neckarau als Wittum

Ein Wittum ist die Morgengabe, die der Bräutigam beim Ehevertrag einbringen
muß, um die Versorgung der Braut auch über seinen eventuellen Tod hinaus sicher-
zustellen. So hatte Pfalzgraf Ludwig IL am 7. Januar 1288 bei der Verheiratung sei-
nes ältesten, aus zweiter Ehe stammenden Sohnes Ludwig (1267-90) mit Isabella
(Elisabeth) von Lothringen ein Wittum für diese Tochter des Herzogs von Lothrin-
gen aufzubringen. Er stellte dafür neben der Zollburg Rheinhausen und den Dör-
fern Dornheim und Mannheim auch das gerade erworbene Neckarau bereit. Seinen
beiden Söhnen aus dritter Ehe gegenüber mußte er sich dabei verpflichten, sie im
Falle ihrer Verheiratung mit Gütern gleichen Wertes auszustatten.1 Darüber hinaus
verpflichtete sich der Pfalzgraf, die Einwilligung des Wormser Bischofs und den
Verzicht seiner Gemahlin Mechthild auf diese Güter zu erwirken. Als Pfalzgraf Lud-
wig II. dieses Wittum für seinen ältesten Sohn Ludwig errichtete, war er in dritter
Ehe mit Mechthild, der Tochter des deutschen Königs Rudolf von Habsburg, verhei-
ratet, mit der er drei Töchter und zwei weitere Söhne, Rudolf und noch einen Lud-
wig, hatte. Nun starb aber der ältere Ludwig im Jahre 1290 in Nürnberg an den Fol-
gen eines Turniers, und die junge Witwe Elisabeth oder Isabella wurde ihrem Vater,
dem Herzog von Lothringen, zurückgeschickt. In der Überlieferung ist es strittig, ob
die Ehe der jungen Leute schon vollzogen war oder ob es sich nur um ein Ehever-
sprechen und ein feierliches Verlöbnis gehandelt hatte.2 Für das Bestehen der Ehe
spricht die Tatsache, daß die junge Witwe offenbar im Besitze des Wittums geblie-
ben ist; denn der junge Herzog Rudolf erhob am 30. 6.1291 Klage vor seinem Groß-
vater, dem König Rudolf, darauf, daß sein Vater dazu verpflichtet werde, ihm und
seinem jüngeren Bruder Ludwig alle Güter - darunter auch Neckarau -, die seiner-
zeit dem inzwischen verstorbenen älteren Halbbruder Ludwig übergeben worden
waren, zurückzugeben: Mechthild und ihre beiden Söhne hätten niemals die Zu-

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