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mußte von Vieh frei bleiben. Der Gemeinde wurde aufgetragen, auf die Aufzucht
guter Bäume, besonders von Eichen, zu achten.77

Bemerkenswert ist ein Bericht der kurpfälzischen Regierung vom 11. Oktober 1766,
der von Zuchtversuchen mit Obstbäumen im Neckarauer Wald handelt. Es heißt
hier, daß „mit Pfropfung des Samenobstes auf wilde Stämme" derartige Erfolge er-
reicht worden seien, daß man „geschmackhafte Bieren und Äpfel erzielet" habe.
Diese Erfolge wurden in einer gedruckten Bekanntmachung den übrigen Oberäm-
tern mitgeteilt und diese angewiesen, in ihren Wäldern Holzbirn- und Holzapfel-
bäume durch Pfropfung zu veredeln. Ein Zeuge dieser Bemühungen aus dem 18.
Jahrhundert dürfte der Birnbaum sein, der in der Nähe des Eingangs zum Strandbad
stand und einen Umfang von knapp 3 m hatte. Von diesem Birnbaum wurde noch
1936 gesagt, daß er Früchte getragen habe.79

Alle Bemühungen der kurpfälzischen Forstverwaltung, den Neckarauer Wald auf
einen guten forstlichen Stand zu bringen, wurden durch die 20jährige Kriegsperiode
zur Zeit der Französischen Revolution und Napoleons vereitelt. Die Gemeinde
hatte ungeheuere Kriegsschulden abzuzahlen. Da griff man zum Wald, holzte ab,
rodete aus. Im Jahre 1802 verkaufte Neckarau mit staatlicher Genehmigung 100
große überständige Eichbäume an einen Frankfurter Holzhändler zum Preis von
48 fl pro Stamm, womit nur ein Teil der Kriegsschulden gedeckt werden konnte.
Aber schon vorher hatte der Wald unter den Kriegsnöten zu leiden. 1793 kaufte die
Festung Mannheim von der Gemeinde Neckarau tausend Stück Faschinen, weil
sonst nirgends welche zu bekommen waren. Ein Jahr später widersetzte sich die Ge-
meinde Neckarau einem kurfürstlichen Erlaß, Holz für 16 000 Faschinen und 32 000
Stickel aus dem Neckarauer Wald zu schlagen. Um den Abtransport dieser gewalti-
gen Holzmenge zu verhindern, rissen die Neckarauer die Gießenbrücke ab und stau-
ten das Gießenwasser auf. Erst nachdem militärische Bedeckung geschickt worden
war, konnte das Holz abtransportiert werden. Diese Faschinen wurden für Schanz-
gräben verwendet.

Immerhin umfaßte der Neckarauer Gemeindewald im Jahre 1806 ohne Rheininseln
644 Morgen, die in 25 Distrikte oder Schläge eingeteilt waren. Der Wald war einge-
teilt in 12 3/4 Morgen baubare Waldäcker im Stumperichhag, 470 1/4 Morgen forst-
lich gepflegter Eichwald, in 47 1/2 Morgen Lachen, die mit Weiden besetzt waren,
und in 6 1/2 Morgen baumlosen Lachen und Waldblößen, in 63 3/4 Morgen Weide
und Viehtrift und in 431/4 Morgen Weg- und Ödland. Die in den Jahren 1828 und 29
geplante und begonnene Rheinkorrektion sah ursprünglich unterhalb des Durch-
stichs bei Altrip auch einen Durchstich bei Neckarau vor, wodurch der gesamte
Wald auf die linke Rheinseite gekommen wäre. Im Zuge dieser Korrektion wurde
der Stollenwörthbereich ausgestockt. Der Durchstich bei Neckarau unterblieb, weil
Preußen befürchtete, der Rhein würde durch eine allzu radikale Begradigung eine
zu schnelle Strömung erhalten und dadurch Schaden anrichten. Preußen setzte sich
bei der badischen Regierung durch, und Neckarau behielt seinen Gemeindewald!
Am 5. April 1848 stellte die Gemeinde Neckarau beim Bezirksamt in Schwetzingen
den Antrag, den Teil des Gemeindewaldes, der innerhalb des Rheindammes lag,
ausstocken zu dürfen, um auf dieser Rodung Felder und Wiesen für die angewach-
sene Bevölkerung anzulegen: Ferner solle der Ertrag aus der Abholzung und der Er-
trag des schon 20 Jahre zuvor abgeholzten Stollenwörths unter die Bürger verteilt
werden. Die Rodung dieses Waldes und seine Umwandlung in Ackerland sei sehr
viel vorteilhafter, da der Wald nur wenig hartes, meist aber weiches Holz, Dornen
und Gestrüpp trage. Die Gemeinde war der Auffassung, daß der Wert des Geländes
um das Zehnfache steigen werde. Dieser Antrag der Gemeinde Neckarau an die Be-
zirksregierung ist im Zusammenhang mit der 48er Revolution zu sehen. Die Geneh-
migung auf die Waldrodung wurde erteilt, „damit der arbeitenden Klasse Beschäfti-

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