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das Recht, alle drei Pfründen zu besetzen. In der Pfarrei gibt es zwölf Kirchengeschworene. Der bischöfli-
che Kommissar wird so empfangen, wie es überall üblich ist: der Mesner hat zwei Bund Kerzen zu geben,
während die übrigen Kosten der Dorfpfarrer, die Kapläne, die Kirchengeschworenen und der Mesner auf-
zubringen haben. Und wenn die Bewirtungskosten tatsächlich nicht aufgebracht werden sollten, wie sie be-
haupten, dann müssen sie eben von nun an neu festgesetzt werden.

Die Kathedralsteuer beträgt 15 Schilling Heller, die der Inhaber des großen Zehnten gibt. Die Gebühr auf
die geistliche Schlüsselgewalt beträgt 2 Schilling Pfennige und wird von der Kirchenfabrik gegeben. Als
Synodalabgabe hat jeder Gemeinsmann 1 Pfennig und jeder Handwerker 2 Pfennige zu geben. Der
Schmied hat die Hufeisen zu stellen und erhält dafür mit seinem Gesellen ein Frühstück. Der Mesner sam-
melt die Gebühren ein. Der Pfarrer beschwert sich darüber, daß die Kirchengeschworenen ihm nicht gehor-
sam sind. Die Kirchenfabrik unterhält alle kirchlichen Gebäude, aber im Falle, daß die Kirche abbrennen
oder in anderer Weise zerstört werden sollte, sind die Inhaber des großen Zehnten verpflichtet, sie von
Grund auf neu wiederherzustellen. Die Kirchenfabrik hat auch die gesamte Altarwäsche zu liefern, den
Wein für die Messen und z. Z. der Kommunion sowie die Hostien; sie hat den Kirchturm zu unterhalten,
für die drei ewigen Lichter zu sorgen und das geweihte Salz. Ebenso ist die Kirchenfabrik für das Beinhaus,
für die Unterhaltung der Kirchhofmauer und den Knochenbrecher verantwortlich. Ein gewisser Erhard
Nick sorgt für ein weiteres ewiges Licht von den Einkünften einer bestimmten Pfründe. Der Pfarrer und die
Kirchengeschworenen setzen den Mesner ein. Der Pfarrer muß vom Faselvieh den Widder und den Eber
halten und erhält dafür die Früchte des Kirchhofs. Die Gemeinde erhält und ernährt den Farren. Der Abt
von Schönau ist für die bauliche Unterhaltung des Pfarrhofes verantwortlich, während die Kapläne ver-
pflichtet sind, ihre eigenen Häuser selbst zu erhalten. Die Kirchenfabrik hat jährlich Einkünfte von 5112 fl,
62 112 Mltr Getreide und 18 Pfund Wachs. Zum Zeitpunkt der Revision waren in der Kasse 71 fl und 21 Ib
hl, während 7 fl und 54 Ib hl als Darlehen ausgegeben waren.

Das Wormser Synodale ist ein sehr umfangreiches lateinisches Dokument. Es ist in
drei Abschriften überliefert und in zahllosen Auszügen, da in ihm die Rechte vieler
einzelner Gemeinden festgehalten sind und diese sich Auszüge schicken oder anfer-
tigen ließen. Der große Wert dieser Quelle liegt darin, daß sie für viele Gemeinden
eine Zusammenstellung der kirchlichen Verhältnisse im ausgehenden 15. Jahrhun-
dert liefert. Es wurde im Jahre 1496 von Jakob Stoll, dem Pfarrer von Aisheim, ver-
faßt, der im Auftrage des Bischofs von Worms als Mitglied der Visitationskommis-
sion die ganze Wormser Diözese bereiste. In dem Visitationsbericht wurden 263
Pfarrkirchen, Filialkirchen und Kapellen aufgenommen. Es fehlen die rechtsrheini-
schen Stadtpfarrämter Heidelberg, Ladenburg und Weinheim. In unserer näheren
Umgebung sind die Kirchen von Seckenheim, Schwetzingen, Mannheim, Feuden-
heim, Wallstadt, Käfertal, Ilvesheim, Sandhofen, Edingen und Wieblingen visitiert
worden. Die Beschreibung der einzelnen Pfarrkirchen ist nach einem festen Schema
angelegt; zuerst kommen die rechtlichen Verhältnisse der Kirche und der Altarstif-
tungen, an zweiter Stelle stehen die kirchlichen Abgaben und Steuern. Dann wird
die Unterhaltspflicht an den kirchlichen Gebäuden und der Einrichtung der Kirche
beschrieben, schließlich werden die Erträge des örtlichen Kirchenvermögens
notiert.

Erläuterungen der Verhältnisse in Neckarau

In Neckarau gab es damals vier rechtsgültig errichtete und auch mit einem Inhaber
besetzte Pfründen: Die Haupt- oder Pfarrpfründe zu St. Martin und drei Kaplans-
oder Frühmeßpfründen, die jeweils an einen Altar gebunden waren. Das Beset-
zungsrecht dieser vier Pfründen lag beim Abt des Zisterzienserklosters Schönau.
Seit dem 14. Jahrhundert herrschte die Tendenz, die Besetzungsrechte (Collaturen)
in geistliche Hand zu bekommen. So hatte in der Wormser Diözese der Pfalzgraf,
also der hauptsächliche Landesherr, nur elf Collaturen, hingegen waren 157 Collatu-
ren, also 70%, im Besitze von Domkapiteln, Stiften und Klöstern. Auch in Neckar-
au war das so. Die drei Nebenaltäre waren kanonisch errichtete Altarpfründen.
Neckarau war eine wohlhabende Gemeinde, was durch die drei Altarpfründen un-

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