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die Reichstruppen aus Österreich herankamen, sowie die Niederlande und England
sich gegen die französischen Ansprüche erklärten, mußten sich die Franzosen zu-
rückziehen. Die Antwort Ludwigs XIV. war der berüchtigte Befehl, die Pfalz zu ver-
brennen.

Trotzdem konnte Ludwig XIV. seine Eroberung gegen die Übermacht seiner Geg-
ner nicht halten und mußte im Frieden von Rijswijk 1697 die Erbfolge des Hauses
Pfalz-Neuburg in der Kurpfalz anerkennen. Die neue katholische Dynastie besaß
neben dem Fürstentum Neuburg a. d. Donau die beiden großen Herzogtümer Jülich
und Berg am Niederrhein mit der Hauptstadt Düsseldorf. Dort residierten während
des pfälzischen Erbfolgekrieges Kurfürst Philipp Wilhelm (1685-1690) und auch
sein Sohn Johann Wilhelm (1690-1716). Die Pfalz bot nach ihrer völligen Verwü-
stung wenig Anreiz, die Residenz aus dem vom Kriege unberührten Düsseldorf nach
Heidelberg zu verlegen. Der Wiederaufbau ging nur sehr langsam vor sich. Viele
Bewohner waren nach Norddeutschland geflohen und blieben dort, wo ihnen die
Landesherren Wohnstätten und Landbesitz gewährt hatten. Andere wanderten
nach Amerika aus, wo William Penn sein Kolonisationswerk gerade begonnen hat-
te. In diesen ersten Jahren des 18. Jahrhunderts ergriff die erste große Auswande-
rungswelle die Pfalz.

Für die Pfalz sollte der Frieden nicht lange dauern. Der Spanische Erbfolgekrieg von
1701-1714 fand Johann Wilhelm auf Seiten des Kaisers. Die bayerischen Wittelsba-
cher hingegen waren mit Frankreich verbündet. Es wiederholten sich mit umgekehr-
ten Vorzeichen die Geschehnisse des Dreißigjährigen Krieges: die Kaiserlichen be-
siegten und besetzten nunmehr Bayern. Johann Wilhelm nahm 1704 die im Dreißig-
jährigen Krieg verlorene Oberpfalz wieder in Besitz und erhielt die erste Kurwürde
mit dem Reichsvikariat und dem Erztruchsessenamt zurück. Aber nur die Hofäm-
ter, die 1711 beim Tode Kaiser Josephs I. und der Neuwahl von Karl VI. von Bedeu-
tung wurden, durfte er behalten. Die Oberpfalz mußte er im Frieden von Rastatt
1714 wieder an Bayern zurückgeben. Als Johann Wilhelm 1716 kinderlos starb, folg-
te ihm sein jüngerer Bruder Karl Philipp (1716-1742). In kaiserlichen Diensten war
er seit 1697 Statthalter von Tirol, als er Nachfolger seines Bruders in der Kurpfalz
und in den übrigen pfalz-neuburgischen Ländern wurde. Schon in Innsbruck hatte
Karl Philipp einen glänzenden Hofstaat, an den er erstrangige Künstler, Musiker
und Baumeister gezogen hatte. Der neue Kurfürst ließ sich lange Zeit, bis er 1718 in
die Pfalz kam.

Karl Philipp war sicher der politisch begabteste Regent in diesen letzten anderthalb
Jahrhunderten pfälzischer Geschichte. Außenpolitisch war der Besitzstand der Pfalz
in mehrfacher Hinsicht gefährdet. Mit dem neu geschaffenen neunten Kurfürsten-
tum Hannover, das 1714 in Personalunion mit England verbunden war, gab es einen
schweren Konflikt über die Rangordnung im Kurfürstenkollegium. Brandenburg-
Preußen erhob Erbansprüche auf die Herzogtümer Jülich und Berg, das Verhältnis
zu Frankreich war gespannt wegen der fortdauernden französischen Besetzung der
an Frankreich angrenzenden Landstriche der Pfalz, der sogenannten „Souveräni-
tätslande". Schließlich gab es keine Erbfolgeregelungen mit Kurbayern und den an-
deren wittelsbachischen Agnaten. Zu allem Überfluß kam es in den labilen pfälzi-
schen Religionsverhältnissen zum spektakulärsten Konflikt über die 80. Frage des
Heidelberger Katechismus und die Heilig Geist-Kirche, der 1720 zur Verlegung der
Hauptstadt von Heidelberg nach Mannheim führte. Karl Philipp verstand es nun,
alle diese Konflikte zu bereinigen. Er brachte die große dynastische Allianz zustan-
de, in der die jahrhundertelange Entzweiung des wittelsbachischen Hauses über-
wunden wurde. Diese Hausallianz bewirkte eine Distanzierung Karl Philipps vom
habsburgischen Kaiser und eine Hinwendung zu Frankreich, deren Folge der Rück-
zug Frankreichs aus den Souveränitätslanden war. Dabei gelang es ihm auch, sich

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