Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Wie erinnerlich, hatte der Friede von Luneville 1801 bestimmt, daß die deutschen
Fürsten für ihre Verluste auf dem linken Rheinufer durch rechtsrheinisches Gebiet
entschädigt werden sollten. Die Gebiete der geistlichen Fürsten und die vielen klei-
nen reichsunmittelbaren Grafen, Ritter und Städte sollten dafür verwendet werden.
Frankreich hatte diese „Anregung" gegeben, um sich damit die größeren deutschen
Reichsstände zu verpflichten und andererseits diejenigen Glieder des Reiches, die
sich am meisten mit der Existenz des alten Reiches identifiziert hatten, zu beseiti-
gen. Obwohl man natürlich längst die Fortdauer geistlicher Fürstentümer und der
kleinen reichsunmittelbaren Herrschaften als nicht mehr zeitgemäß empfand, be-
deutete dies die Zerstörung des Deutschen Reiches und seinen Zerfall in unabhän-
gige einzelne Staaten. Für jeden „Gewinnerstaat" war es nun wichtig, möglichst viel
für sich selbst herauszuschlagen.

Dabei war die kleine Markgrafschaft Baden besonders vom Glück begünstigt: sie
hatte in ihrem Interessengebiet keine fürstlichen Konkurrenten, sondern nur po-
tentielle Opfer. Sie hatte in Freiherrn von Reitzenstein einen sehr tüchtigen, aber
auch zynischen und skrupellosen Vertreter in Paris, der mit Bestechungen und Intri-
gen nicht sparte, und schließlich war ein auf Frankreich angewiesenes Baden für
Napoleon der beste Nachbar am Rhein. Baden hatte sich auch schon sehr früh
Frankreich genähert. Es war bereits 1796 in einem Geheimvertrag nach dem Bei-
spiel Preußens aus dem ersten Koalitionskrieg ausgeschieden. Besiegelung dieses
französisch-badischen Zusammenspiels war die Vermählung des Thronfolgers Karl
mit der Nichte der Frau Napoleons, Stephanie Beauharnais.

Trotzdem hatte Reitzenstein erst im März 1802 die Erwerbung ider rechtsrheinischen
Pfalz für Baden ins Gespräch gebracht, wenn man Bayern dazu bringen könnte, sich
ganz vom Rhein zurückzuziehen; denn auch Bayern gehörte zu den gewinnenden
Staaten. Bekanntlich waren seit 1778 Kurpfalz und Bayern zu einem Staatsgebilde
vereinigt, und Karl Theodor hatte seine Residenz von Mannheim nach München
verlegt. Für Bayern war 1802 der Gewinn der schwäbischen Gebiete zwischen Hier
und Lech sowie der Fürstbistümer Bamberg, Würzburg und Salzburg, die vom Krieg
weitgehend verschont und schuldenfrei waren, sehr viel interessanter als die Bewah-
rung der verwüsteten und tief verschuldeten pfälzischen Restlande. Zudem fand Ba-
den rasch französische und russische Unterstützung für sein Ziel.
Am 3. 6. 1802 erhielt Baden neben den rechtsrheinischen Gebieten der Fürstbistü-
mer Konstanz, Basel, Straßburg und Speyer die pfälzischen Oberämter Bretten, La-
denburg und Heidelberg mit den beiden pfälzischen Hauptstädten Heidelberg und
Mannheim zugesprochen. Am 7. 6.1802 erklärte der pfalz-bayerische Kurfürst Max
Joseph in Paris, er füge sich, aber es sei ihm schmerzlich, das Stammland seines Hau-
ses und seinen Geburts- und langjährigen Aufenthaltsort Mannheim aufgeben zu
müssen. Als in der Pfalz im Juli 1802 Gerüchte über diese Ereignisse aufkamen, war
die Bestürzung groß; denn die Pfälzer fühlten sich mit den Witteisbachern sehr ver-
bunden. Aber auch einer Abordnung des Mannheimer Stadtrates konnte Max Jo-
seph in München keine andere Auskunft geben.

Am 22. 9. 1802 kam die badische Okkupationskommission mit 1200 Mann Militär
und begann die Übergabegeschäfte. Am 23. 11. 1802 erließ Max Joseph das Abtre-
tungspatent. Am 25. 2. 1803 wurden die territorialen Änderungen von Kaiser und
Reich durch den Reichsdeputationshauptschluß bestätigt und reichsrechtlich in Kraft
gesetzt. Der badische Markgraf Karl Friedrich wurde Kurfürst. Damit war nach über
600jähriger Geschichte die Kurpfalz aus der Reihe der deutschen Staaten ausge-
schieden. Seit 1214 war die Pfalzgrafschaft bei Rhein im Besitz der Witteisbacher ge-
wesen, Neckarau hatte seit 1261 zum Kernland der Pfalz, dem Oberamt Heidelberg,
gehört.27

341
 
Annotationen