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Im Kampf um die Kunst: die Antwort auf den Protest deutscher Künstler — München, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.3376#0069
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62_____________CARL MOLL — OTTO MODERSOHN________

in Wien die ersten van Goghs zu sehen. Die Kritik höhnte,
das Publikum bildete den begleitenden Chor, nur ein paar
Maler standen stumm und staunend vor der ihnen neuen Er-
scheinung. Natürlich dachten weder Staat noch Private daran,
sich so ein verhöhntes Bild zu kaufen. Da sammelten wir
Maler unter uns den Betrag — es waren 2000 Francs —, kauften
eine schöne Landschaft und schenkten sie in der Stille dem
Staate. Jahrelang blieb das Bild in irgend einem Depot, bis
ein intelligenter Galeriedirektor kam und das Bild in der
Modernen Galerie aufhängte. In Wien protestierten die anderen
Künstler nicht, denn — einem geschenkten Gaul schaut man
nicht ins Maul.

Wien. Carl Moll.

\/\/ ie ich mich über die Erwerbung der van Goghschen
* * Mohnfelder für die Bremer Kunsthalle gefreut habe,
als eines der anregendsten Bilder moderner Kunst, werde ich
mich über jedes gute Bild fremder Herkunft freuen, das auf
deutschem Boden seine Stätte findet, weil es die in guter Ent-
wicklung befindüche deutsche Kunst befruchten wird. Die
dafür aufgewandten Mittel sind unerheblich, weil sie reichlich
Zinsen tragen werden. Die Kritik, die diese Werke dem Ver-
ständnis des Volkes näher bringt, erfüllt eine hohe Mission.
Die Nationalität spielt bei der Kunst überhaupt keine Rolle, es
kommt lediglich auf die Qualität der Kunst an. Der fran-
zösischen Kunst gebührt in vieler Hinsicht der Vorrang als der
eines besonders für die bildenden Künste hochbegabten Volkes,
von der wir Deutschen viel lernen können. Wenn sich die
Kunst bei uns in den letzten Jahren gehoben hat, so verdanken
wir das in erster Linie der bei uns immer bekannter gewordenen
guten französischen Kunst. Bis auf weiteres können wir diese
noch nicht entbehren. Die Bodenständigkeit unserer Kunst
wird, soweit sie echt ist, dadurch nicht leiden.

Fischerhude. Otto Modersohn.
 
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