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Trump, Dominik; Universität zu Köln [Contr.]; Jan Thorbecke Verlag [Contr.]
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 13): Römisches Recht im Karolingerreich: Studien zur Überlieferungs- und Rezeptionsgeschichte der Epitome Aegidii — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2021

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.74405#0046
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2. Inzest und Ehe

Die ersten drei Kapitel des Königskapitulars beschäftigen sich mit der Inzest-
bekämpfung. Dieses Thema, das auf den späteren Synoden von Verberie (756)1
und Compiegne (757)2 völlig dominieren sollte, nimmt durch seine Positionie-
rung am Anfang der Kapitelliste auch im Königskapitular eine prominente
Stellung ein.3
Das Thema Inzestbekämpfung beinhaltet zwei Aspekte, die getrennt von-
einander zu behandeln sind. Die Definition von Inzest und der Diskurs darüber,
welche Verbindungen als inzestuös gelten sollten, bilden den einen Aspekt. Der
andere Aspekt ist die Frage, auf welche Weise die als inzestuös definierten
Verbindungen unterbunden und bekämpft werden sollten. Das Königskapitular
beschäftigt sich mit beiden Aspekten der Inzestbekämpfung. Das erste Kapitel
enthält einerseits eine Liste mit verbotenen Verbindungen und andererseits Be-
stimmungen zur Sanktionierung ebendieser verbotenen Verbindungen. Bei der
Sanktionierung wird nach dem Status der betroffenen Personen differenziert.
Kapitel 2 und 3 setzen die Ausführungen zur Sanktionierung für weitere Sta-
tusgruppen fort. Die Inzestbestimmungen sind alle aus der Perspektive des
Mannes heraus formuliert. Im Folgenden sollen das im Königskapitular zu Tage
tretende Verständnis von Inzest und die Sanktionierung inzestuösen Verhaltens
getrennt in den Blick genommen werden. Auf dieser Grundlage wird dann eine
historische Einordnung von Pippins Inzestbekämpfung vorgenommen.
2.1 Verbotene Verbindungen im Königskapitular
Inzest zählte zu den kirchenrechtlichen Themen, die im 8. Jahrhundert, vor allem
in dessen ersten Hälfte kontrovers diskutiert wurden.4 Auffällig ist, dass ein
klarer Bruch zwischen der merowingischen und der karolingischen Inzestbe-
kämpfung festzustellen ist, wie Karl UbI in seiner 2008 veröffentlichten Habili-
tationsschrift betont.5 In der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts kochte die In-
zestdebatte wieder auf. Trotz der generell eher schlechten Quellenlage liegen
erstaunlich viele Quellen aus dieser Zeit vor, die für den Inzestdiskurs von Be-
lang sind. In den Briefen des Bonifatius wird das Thema öfters behandelt, ebenso

1 Decretum Vermeriense, in: MGH Capit. 1, Nr. 16, S. 39-41. Die Datierung und Zuschreibung
dieser Kapitel zu einem Konzil von Verberie 756 beruht allein auf einem Incipit in der Hand-
schrift V, das in P, der ebenfalls die Collectio capitularium Senonica überliefernden Schwester-
handschrift fehlt.

2 Decretum Compendiense, in: MGH Capit. 1, Nr. 15, S. 37-39.

3 Auf dem Konzil von Ver 755 kam das Thema hingegen nicht zur Sprache.

4 Vgl. Ubl, Inzestverbot, S. 217-290.

5 Vgl. Ubl, Inzestverbot, S. 218. Zur merowingischen Inzestbekämpfung vgl. Mikat, Inzestge-
setzgebung; Ubl, Inzestverbot, S. 115-216.
 
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