Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Galerie Flechtheim [Mitarb.]
Der Querschnitt — 12.1932

DOI Artikel:
Vogl, Frank: Luise, Königin von Preußen: wie sie nicht in den Lehrbüchern steht
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.73728#0043

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
seinen Tod mit unverlöschlicher Glut auf die Folter spannen konnte. Wie liebte
es der große Napoleon, auf diese süßeste aller Foltern gespannt zu werden.
Politische Frauen aber waren ihm verhaßt wie dem Teufel der Kruzifixus.
Dennoch war ihm diese Luise ein Rätsel. Sie verband mit ihrer Politik und ihrem
Leibregiment etwas, das die Köpfe der Berliner Männer und Frauen exaltierte.
Napoleon ahnte, daß er in dieser Luise mehr als eine politische Frau, vielleicht
eine Gegnerin zu sehen hatte.


1807 war Preußen ein verlorenes Land. Aber es hatte immer noch eine un-
gebrochene Königin. Ihr unwiderstehlicher Charme hatte sogar, aller Not und
allem Unglück zum Trotz, zugenommen. Man war sich einig darüber, daß Luise
in diesen elenden Tagen schöner war denn je.
Da kam Graf Kalckreuth, des Königs Ratgeber, auf den immerhin aus-
gefallenen Gedan-
ken, wo die Regi-
menter versagten,
deren Herrin dem
französichen Ero-
berer entgegenzu-
stellen. Der König
war schwach ge-
nug, dieAbsurdität
des Gedankens
nicht zu empfin-
den. Er war in
Verlegenheit und
gönnte sich nicht
die Muße, der ver-
borgenen Entwei-

hung nachzuspü-
ren, die dieses kläg-
liche Spiel bergen
würde. Ein König,
der sein Heer ver-
loren hat, kann
schließlich für die
Privatperson seiner
Königin keine Ge-
danken haben, wie
sehr er sie auch
immer im Frieden
lieben mag. C'est
la guerre!
Luise betrachte-
te sich im Spiegel,

als sie den Brief des Königs mit der Einladung zu einem Besuch bei „Nöpel" (so
sagte sie meist statt Napoleon) empfing. Sie bestätigte sich, daß ihre Anmut unver-
blichen sei, und daß sie sich einen Sieg über Napoleon zutraue. Jedenfalls eher als
ihrem Gatten. Sie reiste unverzögert nach Tilsit und erfuhr mit Schmerz, daß
Napoleon nicht daran denke, sie einzuladen. Wo er Männern gegenüber zu for-
dern berechtigt war, wie sollte er dazu kommen, mit einer Frau zu verhandeln.
Noch dazu mit Luise.
Luise beschloß, ungeladen vor dem französischen Kaiser zu erscheinen.
Sie war bereit, dem preußischen Volk dieses Opfer zu bringen. Doch es bedurfte
ihres Opferwillens nicht. Man übergab Luise ein sorgfältig ausgearbeitetes
Expose, das ihrer Unterhaltung mit Napoleon zur Unterlage dienen sollte. Luise
betrachtete die Punkte voll Mißtrauen und erwiderte, daß sie sich nichts davon
verspreche. Alexander mied die einstige Freundin.
Gegen fünf Uhr an einem sonnigen Julinachmittag, eine Viertelstunde nach
Luisens Ankunft in der Tilsiter Wohnung des Königs, wurde Napoleon von
Luisens Hofdamen an der Treppe des Hauses empfangen. Die Gräfin Voß
geleitete den Machthaber, der äußerst höflich war und lebhaft mit den Damen

21
 
Annotationen