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Rave, Paul Ortwin
Der Emporenbau in romanischer und frühgotischer Zeit — Forschungen zur Formgeschichte der Kunst aller Zeiten und Völker, Band 8: Bonn, Leipzig: Schroeder, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.67101#0198
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Bedürfnis nach Raumbindung im Emporenbau aus, indes die ent-
scheidenden Schritte zur Gotik hin werden nicht getan. Die Gotik,
nur einmal und an einer Stelle geworden, trifft unvermittelt in die
heimische Bauart, durchdringt sie nicht, sondern verdrängt sie.
Freilich setzt sich die Gotik nicht überall mit derselben krassen
Gegensätzlichkeit an Stelle der romanischen Baurichtung, wie es uns
am Niederrhein durch die Kluft zwischen dem in heimischer Über-
lieferung betriebenen Emporenbau und dem großen Dombau sinn-
fällig wurde. Am Mittelrhein, wo in der Andernacher Kirche bereits
eine so weit fortgeschrittene Stufe gotischen Raumempfindens inner-
halb der romanischen Schule erreicht war, spinnt sich der Faden
glatter weiter, und der Knoten, der beide Stile trennt, ist mit dem
Planwechsel an der Stiftskirche S. Georg zu Limburg a. d. Lahn ge-
geben. Sie wurde im zweiten Jahrzehnt des 13. Jahrh. begonnen, und
zwar in deutlicher Anlehnung an die Andernacher Kirche, im dritten
Jahrzehnt, als vom Langhaus das Erdgeschoß fertig war, von Bau-
leuten, die an der Kathedrale zu Laon oder Noyon geschult waren,
fortgeführt und 1235 geweiht1). Im Zusammenhang mit der Limburger
Emporenkirche ist die kleine Pfarrkirche S. Peter zu Bacharach zu
nennen, deren Langhaus jüngster Untersuchung zufolge in unmittel-
barem Anschluß an die mutmaßlich um 1230—35 entstandenen Ostteile
aufgeführt wurde 2). Was Dehio schon erkannt hatte (Hdbch. IV, S. 21 f.),
daß S. Peter in treuerem Festhalten an die heimisch-rheinische Über-
lieferung die früh-gotischen Formen von S. Georg in romanische zurück-
gebildet hat, diesen Vorgang sieht Wirz an fast wie einen Protest ge-
gen die ins Land einströmenden, in Limburg stark angenommene^
französischen Neuerungen. So ist, was in Limburg spitzbogig war, hier
rund mit Ausnahme der Gewölbformen. Ist die Emporenöffnung dort in
der edlen schlichten Artnordfranzösischer Kathedralenzweifach unter-
teilt, öffnet sie sich hier zwischen einer Fülle schwarzer Schiefer-
säulchen in einem einzigen, mehrmals abgestuften Rundbogen in der
malerischen Art, die uns aus S. Severus zu Boppard als nächster
Emporenkirche etwa erinnerlich ist. So zerfällt hier die Hochwand unter
dem Lichtgaden in zwei Schalen, von denen die innere in gruppenweis
je vier kleine Spitzbogen auf Freisäulchen zerlegt ist (die Bauform des
Laufganges, die am deutlichsten nach der Champagne hinweist), und
1 H. Kunze, Die Stiftsk. S. Georg zu Limburg a. d. L., Zeitschr. f. Gesch.
d. Arch., Jahrg. 5, 1911—12, S. 33ff.
2 K. Wirz, Die Pfarrkirche S. Peter zu Bacharach, Diss. Frankfurt a.M. 1922.

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