DIE ZEIT DER ERFOLGE.
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Befreiungsyersuchen gegenüber ablehnend verhalten hatte, so ge-
schah dies, weil es einerseits im Siege Roms seinen unmittelbaren
Vorteil erblickte, andererseits weil die Mehrzahl dieser Unterneh-
mungen vom makedonischen Erbfeinde ausgegangen waren. Ganz
anders lagen diesmal die Verhältnisse. Der Stern Roms schien wirk-
lich im Niedergang begriffen, und der Sieger gab zu keinerlei poli-
tischen Bedenken Anlafs. Er war ja der Vertreter einer Dynastie,
welche seit drei Jahrhunderten die Republik mit der gröfsten Zu-
vorkommenheit behandelt hatte. Man zeigte noch in der Akademie
die Büste Platos, welche Mithradates, „der Perser“, der ferne
Ahnherr des Eupator, geschenkt hatte; man las bei Demosthenes,
wie der Satrap Ariobarzanes mit seinen drei Söhnen das athenische
Bürgerrecht erworben hatte; ein delisches Gymnasion bewahrte die
Erinnerung an die Grofsmütigkeit des Euergetes; sein Sohn war
der Schutzherr des Eupatoristenkollegiums und die delischen Heilig-
tümer strotzten von seinen Weihgeschenken.*) Wie hätten die
patriotischen Tagediebe der Agora nicht mit lebhafter Hoffnung die
Erfolge eines philhellenischen, beinahe athenischen Königs begriifsen
sollen, der noch vor kurzer Zeit im Norden des Euxeinos so glor-
reich auf die athenische Politik zurückgegriffen hatte, und dessen
Hauptstädte zwei athenische Kolonien, Amisos und Sinope, waren?
Wenn dem Hellenismus überhaupt noch ein Retter erstehen konnte,
so war es unstreitig dieser Mann, der vom Schicksal dazu berufen
schien, der hellenischen Rasse den Vorrang in der Welt und den
Athenern den Vorrang in Griechenland von Neuem zu verschaffen.
Die Freunde Roms waren durch diese plötzlichen Schicksais-
schläge betäubt und zum Schweigen gebracht. Man beschlofs, zu
Mithradates insgeheim einen Gesandten zu schicken, der die Lage
des Näheren prüfen und nötigenfalls Verhandlungen in Hinblick
auf ein festes Bündnis anbahnen sollte, und betraute mit dieser
Aufgabe den Sophisten Aristion,1 2) den natürlichen Sohn des Hauptes
1) Man vgl. die Insclir. im Anhang II, No. 5—10.
2) Das ist der Name, den ihm alle Autoren ausnahmslos und alle Münzen
beilegen; Poseidonios allein nennt ihn, gleich seinem Vater, stets Athenion,
was denn zu zahlreichen Controversen geführt hat. Es ist nicht ausgeschlossen,
dafs Aristion, wie viele Griechen seiner Zeit, zwei Namen führte, oder dafs
er, nach der testamentlich erfolgten Anerkennung und nach seiner Eintragung
in die Standesliste, den väterlichen Namen annahm. Dafs ihn aber Poseido-
nios beharrlich Athenion nennt, rührt vielleicht daher, dafs dieser Name, den
kurze Zeit zuvor der „König“ der aufrührerischen sizilischen Sklaven geführt
(Dion, fr. 9, 3 Diod.; Julius Capitolinus, Maximini duo, c. 9), sprichwörtlich
geworden war, um einen aufrührerischen und gekrönten Sklaven zu bezeich-
nen (cf. Appian, Mith. 59, wo Sullas Soldaten den Fimbria bei diesem Namen
rufen; Cic., Ad. Att. II, 12, 2, der ihn dem Clodius beilegt). Jedenfalls kann
die Vermutung Nieses (Die letzten Tyrannen Athens im Uh. Mus. XLII, 57),
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Befreiungsyersuchen gegenüber ablehnend verhalten hatte, so ge-
schah dies, weil es einerseits im Siege Roms seinen unmittelbaren
Vorteil erblickte, andererseits weil die Mehrzahl dieser Unterneh-
mungen vom makedonischen Erbfeinde ausgegangen waren. Ganz
anders lagen diesmal die Verhältnisse. Der Stern Roms schien wirk-
lich im Niedergang begriffen, und der Sieger gab zu keinerlei poli-
tischen Bedenken Anlafs. Er war ja der Vertreter einer Dynastie,
welche seit drei Jahrhunderten die Republik mit der gröfsten Zu-
vorkommenheit behandelt hatte. Man zeigte noch in der Akademie
die Büste Platos, welche Mithradates, „der Perser“, der ferne
Ahnherr des Eupator, geschenkt hatte; man las bei Demosthenes,
wie der Satrap Ariobarzanes mit seinen drei Söhnen das athenische
Bürgerrecht erworben hatte; ein delisches Gymnasion bewahrte die
Erinnerung an die Grofsmütigkeit des Euergetes; sein Sohn war
der Schutzherr des Eupatoristenkollegiums und die delischen Heilig-
tümer strotzten von seinen Weihgeschenken.*) Wie hätten die
patriotischen Tagediebe der Agora nicht mit lebhafter Hoffnung die
Erfolge eines philhellenischen, beinahe athenischen Königs begriifsen
sollen, der noch vor kurzer Zeit im Norden des Euxeinos so glor-
reich auf die athenische Politik zurückgegriffen hatte, und dessen
Hauptstädte zwei athenische Kolonien, Amisos und Sinope, waren?
Wenn dem Hellenismus überhaupt noch ein Retter erstehen konnte,
so war es unstreitig dieser Mann, der vom Schicksal dazu berufen
schien, der hellenischen Rasse den Vorrang in der Welt und den
Athenern den Vorrang in Griechenland von Neuem zu verschaffen.
Die Freunde Roms waren durch diese plötzlichen Schicksais-
schläge betäubt und zum Schweigen gebracht. Man beschlofs, zu
Mithradates insgeheim einen Gesandten zu schicken, der die Lage
des Näheren prüfen und nötigenfalls Verhandlungen in Hinblick
auf ein festes Bündnis anbahnen sollte, und betraute mit dieser
Aufgabe den Sophisten Aristion,1 2) den natürlichen Sohn des Hauptes
1) Man vgl. die Insclir. im Anhang II, No. 5—10.
2) Das ist der Name, den ihm alle Autoren ausnahmslos und alle Münzen
beilegen; Poseidonios allein nennt ihn, gleich seinem Vater, stets Athenion,
was denn zu zahlreichen Controversen geführt hat. Es ist nicht ausgeschlossen,
dafs Aristion, wie viele Griechen seiner Zeit, zwei Namen führte, oder dafs
er, nach der testamentlich erfolgten Anerkennung und nach seiner Eintragung
in die Standesliste, den väterlichen Namen annahm. Dafs ihn aber Poseido-
nios beharrlich Athenion nennt, rührt vielleicht daher, dafs dieser Name, den
kurze Zeit zuvor der „König“ der aufrührerischen sizilischen Sklaven geführt
(Dion, fr. 9, 3 Diod.; Julius Capitolinus, Maximini duo, c. 9), sprichwörtlich
geworden war, um einen aufrührerischen und gekrönten Sklaven zu bezeich-
nen (cf. Appian, Mith. 59, wo Sullas Soldaten den Fimbria bei diesem Namen
rufen; Cic., Ad. Att. II, 12, 2, der ihn dem Clodius beilegt). Jedenfalls kann
die Vermutung Nieses (Die letzten Tyrannen Athens im Uh. Mus. XLII, 57),