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Repertorium für Kunstwissenschaft — 9.1886

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Litteraturbericht
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https://doi.org/10.11588/diglit.66023#0126

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112

Litteraturbericht.

begleiten soll, also um den Holzschnitt, wie er die Menge periodischer Zeit-
schriften auszustatten hat. Kein Zweifel, hier stehen die deutschen illustrirten
grossen Zeitschriften — mit wenigen Ausnahmen — hinter denen von ent-
sprechender Bedeutung in England und selbst Nordamerika und Frankreich
(Italien weist auf dem Gebiete der vervielfältigenden Künste vollständigen
Bankrott auf) zurück. Die Ursachen werden in der Einleitung richtig hervor-
gehoben. Es fehlt an tüchtigen und dabei rasch componirenden Zeichnern
für den Holzschnitt; so nährt man sich von ewiger Reproduction; man
bringt in guten Facsimileschnitten irgend ein gerade für einige Wochen in
Mode gekommenes Genrebildchen oder Statuettchen oder man geht noch
weiter und reproducirt nach billig erworbenen Cliches ein beliebtes ganz
bekanntes Gemälde der Vergangenheit. Illustrirt man aber die Chronik der
Zeit, so kommt die Illustration (falls sie nicht Sudelei ist, wie z. B. in dem
illustrirten Extrablatt Weltblatt u. s. w.) bedenklich nachgehinkt, weil der auch
hier zur Anwendung gekommene sauber ausgeführte Facsimileschnitt auch eines
grossen Zeitraumes zur Herstellung bedarf. Der englische Holzschnitt da-
gegen, der hier in erster Reihe in Betracht kommt, fordert allerdings, wenn
er höheren Anforderungen entsprechen soll, einen künstlerisch frei nachschaf-
fenden Xylographen, ist aber nicht bloss in weit kürzerer Zeit herzustellen,
sondern auch in der Wirkung viel charakteristischer und packender. Die stark
mit Weiss aufgehöhten Tuschzeichnungen englischer Zeichner finden in der
breiten kräftigen Strichführung des Holzschneiders den entsprechenden Aus-
druck. Der nordamerikanische Holzschnitt wandelt auf gleichen Bahnen und
der französische strebt nach gleicher Kraft und Wirkung. Man sehe z. B.
von den veröffentlichten Blättern Pyle-Froment, Conferenz mit den Golonisten
(The Graphic 1883), E. A. Emslie-Froment: Gruben-Explosion (The Illustrated
London News 1882), Ch. F. Ulrich-Heinemann: Die Glasbläser (Harper’s Weekly
1883), Chelmonski-Lepere: Tanz der Bettler und Bauern (Le Monde
Illustre 1884), Overend-Jackson, Sinken der Daphne (The Illustr. London News
1883) oder Pyle-Zimermann: Am Valentinstage (Harper’s Weekly 1883), wo die
realistische flotte Behandlung einer rein poetischen Wirkung durchaus nicht
im Wege steht. Zwei Holzschnitte Ad. Mentzel’s, P. Meyerheim’s Schnitt
Ameisenbär zeigen den prächtigsten Bund zwischen kräftiger Wirkung und
wahrhaft künstlerischer Durchführung. Einen unmittelbaren Versuch dagegen,
die Gesetze des englischen Holzschnittes auf den deutschen zu übertragen,
zeigt Franz Skarbina’s London im Morgengrauen (Illustrirte Frauenzeitung 1885),
jenes Künstlers, der hervorragenden Antheil an der Herausgabe der »Muster-
sammlung« genommen hat. Es ist uns klar, dass diese Mustersammlung
wahrscheinlich manche Halbtalente dazu führen wird, ihre Unfähigkeit, richtig
und naturwahr zu zeichnen, für flotte englische Manier zu halten; solchen Miss-
verständnissen wird jede Absicht leicht unterliegen können. Immerhin aber darf
man hoffen, dass der Apell, welchen diese Mustersammlung an die Illustratoren
richtet, nicht ganz ohne günstige Nachwirkung bleiben wird — nämlich für die
Illustration periodischer Zeitschriften — was nochmals betont sei. J.
 
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