Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Repertorium für Kunstwissenschaft — 9.1886

DOI Artikel:
Kisa, Anton Carel: Baldassare d´Anna
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.66023#0214

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
184

Dr. A. Kisa:

weil er sie sich durch angestrengte Mühe und Fleiss erworben habe. Leicht
und mühelos zu schaffen galt als das Vorrecht der echten Künstlerschaft. Daher
das Bestreben, mit möglichst geringem Aufwande von Arbeit und Zeit Effecte
zu erzielen, die Technik zu vereinfachen, um rasch produciren und rasch —
verdienen zu können; denn für die materielle Seite der künstlerischen Thätig-
keit entwickelten die Manieristen trotz ihres Gottesgnadenbegriffes ein besseres
Verständniss als ihre pedantischen Vorgänger. Den Weg, durch fleissiges Natur-
studium zur Beherrschung der nothwendigen Ausdrucksmittel zu gelangen, fand
man viel zu beschwerlich und langwierig; viel bequemer war es, die Früchte
fremden Fleisses für sich nutzbar zu machen, durch die Gestalten, die Anderer
Phantasie geschaffen hatte, die lahme Phantasie zu beflügeln. Daher die
häufigen Reminiscenzen, wenn nicht directen Entlehnungen, namentlich aus
der Gestaltenwelt Tizian’s, Paul Veronese’s und Tintoretto’s in den Malereien
der Manieristen. »Der Künstler arbeitete mehr mit dem Gedächtnisse als mit
der Phantasie, und derjenige that sich vor den Uebrigen hervor, der sich die
besten Bilder merken konnte.« So ungefähr urtheilt über diese Schule der
Autor von »Della pittura Veneziana.« Dass bei solcher Art des Schaffens aus
dem Gedächtnisse ohne vorheriges ernstliches Naturstudium Köpfe, Figuren und
Stellungen schablonenhaft werden, der seelische Ausdruck trotz aller affectirten
Geberden leidet, ist eine nothwendige Folge. Selbst der begabteste unter den
Manieristen, ihr eigentlicher Führer und Begründer, Palma Giovine, ist auch in
seinen besseren Werken, z. B. in einigen der grossen Wandgemälde des Dogen-
palastes und in seinen Bildern in der Akademie zu Venedig, von diesen Mängeln
nicht frei zu sprechen. Aber wenn auch ohne höheren Kunstwerth, ohne aus-
gesprochene, selbständige Eigenart, erscheinen uns seine Gemälde und die seiner
Schule namentlich an dem erstgenannten Orte doch als ein das Auge erfreuender
Abglanz Tizian’scher und Tintorettesker Schaffenskraft, und soweit sie weniger
gelitten haben, in ihrer kräftigen Färbung und geschickten Anwendung des Hell-
dunkels als effectvolle Füllungen innerhalb der goldstrotzenden Schnitzereien der
Wände und Plafonds. Es sind Decorationsmalereien, berechnet auf eine brillante
Wirkung für den flüchtigen Blick. Dieser Charakter haftet allen Schöpfungen der
Manieristenschule an. — Nicht bloss in der Leerheit der Physiognomien, selbst
in der Behandlung der Gewänder zeigt sich das künstlerische Unvermögen. Es
ist nicht Sache der Manieristen, gleich den nordischen Meistern durch eine liebe-
volle, detaillirende Musterung die decorative Wirkung der Draperien zu erhöhen,
noch dem Paul Veronese in der glanzvollen Wiedergabe von Seide, Sammt
und Brokaten nachzueifern. Die Stoffe sind meist unverziert, der Faltenwurf
einförmig, theils von affectirtem Pompe, theils von nachlässigster Einfachheit.
Palma Giovine bewahrt noch am meisten von den TraditionenTizian’s und von
denen seines Lehrers Tintoretto. Hätte er es ernster mit seiner Kunst genom-
men, hätte er seinen Hang zum »fa presto« mässigen können, so wäre er, von
Haus aus hochbegabt, ein würdiger Nachfolger dieser letzten Heroen der vene-
zianischen Malerei geworden. Aber gerade seine Fehler waren es, welche ihm
einen grossen Kreis gleichgesinnter Mitstreber zuführten. Seine bedeutendsten
Schüler waren Lionardo Corona, Andrea Vicentino, Santo Peranda, Antonio
 
Annotationen