Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Repertorium für Kunstwissenschaft — 9.1886

DOI Heft:
Litteraturbericht
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.66023#0556

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
492

Litteraturbericht.

hat, erfährt durch diese fleissige Arbeit eine werthvolle Bereicherung. Der
Verfasser fand über Candid oder Pieter de Witte einerseits eine allgemein-
biographische Litteratur älterer italienischer und niederländischer Autoren,
andererseits eine späte, vielfach zersplitterte Localtopographie, welche dessen
Münchener Lebensepoche und die dortige Thätigkeit behandelt, vor. Die
erstere ist oberflächlich und ungenau, weiss auch sehr wenig über seine
wichtigste Zeit, •— über sein Schaffen in Diensten der bayerischen Herzöge, —
die andere steht auf dem unkritischen Boden, aus dem die Mehrzahl der
Städtebeschreibungen und Merkwürdigkeiten-Verzeichnisse aus der ersten Hälfte
des laufenden Jahrhunderts hervorgegangen sind. Kaum findet sich ja ein
Künstler der Vergangenheit in Deutschland und Oesterreich, bei dessen Er-
forschung uns heute nicht dieselben Schwierigkeiten in den Weg treten würden.
Ree hat mit grossem Eifer sich an ihre Beseitigung gemacht. Vor Allem
gelang es ihm, durch eine reichhaltige Urkundenausbeute die Münchener Ver-
hältnisse Candid’s vollkommen festzustellen und aufzuklären, weiteres ver-
mochte er theils auf Grundlage der so gewonnenen historischen Ergebnisse,
theils durch ein sorgfältiges stilistisches Studium der Kunstweise Candid’s eine
grosse Anzahl Widersprüche, Zweifel und falsche Zutheilungen in der Local-
litteratur richtig zu stellen. Das Gesammtbild, welches er von der reichen
Thätigkeit des Meisters entwirft, ist ein sehr vollständiges; es bietet ja eben
dieses Künstlers Schaffen die wichtigste Grundlage, sozusagen die bedeutendste
constructive Stütze, auf welcher sich das Gebäude einer Darstellung der Kunst-
geschichte Münchens in der Zeit der Spätrenaissance errichten lässt, und ist
das Walten dieses im wälschem Geiste arbeitenden Niederländers nicht nur
für die Mehrzahl der damals in Bayern thätigen Künstler aller Fächer ton-
angebend, sondern es hat seine Art noch weiterhin bestimmend gewirkt, —
wovon der Verfasser wohl kaum Kunde hatte, — so auch für Wien und
Oesterreich. In letzterer Hinsicht ist es z. B. zweifellos, dass Beziehungen
zwischen Candid und dem Erzgiesser Adriaen de Fries obwalteten, dessen
italienische Schulung aus verwandter Quelle floss und dessen zahlreiche
Schöpfungen für Prag etc. einen ganz verwandten Stil manifestiren. Ferner
verdient in dieser Beziehung die Mariensäule zu München Beachtung. Früher
allgemein als ein Werk Candid’s bezeichnet, hat Ree (pag. 137) nun nachge-
wiesen, dass sie erst zehn Jahre nach dessen Tod errichtet wurde, aber es
hängt dieses wichtige Kunstwerk dennoch mit dem Schaffen des Meisters zu-
sammen, denn auch der Verfasser gibt zu: »Die Madonna entspricht ihrem
Wesen nach ganz und gar denen, die wir auf den verschiedenen Gemälden
unseres Meisters kennen gelernt haben.« Mögen also auch nur spätere Künst-
ler seine Idee wieder benützt haben, so wurde dadurch doch eine Composition
Candid’s zum Muster und Typus für eine Reihe, die Monumentalplastik der
Spätrenaissance in Süddeutschland bestimmender und bezeichnender Kunst-
gebilde , von welchen wir nur die analogen Mariensäulen zu Prag und Wien
hervorheben wollen.
Die Einleitung, welche Ree vorausschickt und zur Schilderung der all-
gemeinen politischen, cultur- und kunsthistorischen Verhältnisse in Bayern vor
 
Annotationen