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Rooses, Max
Geschichte der Malerschule Antwerpens: von Q. Massijs bis zu den letzten Ausläufern der Schule P. P. Rubens — München, 1881

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https://doi.org/10.11588/diglit.20661#0368
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336

X. Die Rubens’fche Schule.

Bruft hat eine Helligkeit und Fettigkeit des Tones, welche fonft die Schule
bereits verlernt hatte. Befonders fchön ift der Ausdruck feines Kopfes, aus
deffen unabwendbar gegen Himmel gerichtetem Blick die innigfte Selbftent-
äufserung und die vollfte Ergebung im qualvollften Leiden ftrahlt. Das Bild
wurde 1684 für den Hochaltar der St. Georgskirche gemalt.

Vollftändigkeitshalber feien noch erwähnt der ältere JACOB HERREYNS
(1643—1732), Caspar Jacobus van Opstal (1654—1717), Jacob Denijs
(1644—16 . . ?), welche zugleich als Hiftorienmaler und als Porträtmaler zu
Rubens’ Schule gehören, und endlich ANTHOON SCHOONJANS, der 1668/69
bei Erasm Quellin lernte und fich 1671 in Rom befand. Der letztere hielt
fich abwechfelnd zu Wien, in Holland und zu Düffeldorf auf, und ftarb, wie
man fagt, 1727 zu Wien. Von ihm befitzt die Pinakothek zu München
(Nr. 318) einen »fich im Waffer fpiegelnden Narzifs«, eine nackt, in zarter
Färbung gemalte Figur, mit durchfichtigen Schatten, ziemlich lieblich in Form
und Farbe aber etwas kraftlos und zu der gekünftelten Manier hinneigend, die
fpäter zur Herrfchaft gelangte. Vom Stadthaus zu Nürnberg gelangten in’s
germanifche Mufeum ein »hl. Hieronymus« und ein »hl. Sebaftian« , ebenfalls
nackte Körper in derfelben zarten, gefälligen und kraftlofen Art. Schoonjans
ift befonders als Porträtmaler bekannt.

So ftarb nach einer ungefähr hundertjährigen Bliithe die Rubens’fche
Schule allmälig ab, nachdem fie während ihres ganzen Beftehens den Geilt des
Meilters wie den feines gröfsten Schülers befeelt hatte. In der Doppelrichtung,
welche fie demnach eingefchlagen, hatte fie einerfeits in der Bahn des Rubens
Kraft und Eleganz, anderfeits in jener des van Dijck Empfindung und Gefällig-
keit zu paaren gewufst.

Doch machte fich der Einflufs der beiden grofsen Führer nicht blos im
Gebiete der Hiftorienmalerei geltend, londern auch in den vielen Fächern, die
neben demfelben geübt wurden, folgte man ihrer Unterweifung. David Teniers,
der Bauernmaler, und Gonzales Coques, der Bürgermaler, tragen ebenfo gut
den Rubens’fchen Stempel, als Quellin und Wouters, die in feinem Atelier
arbeiteten, oder als Crayer und Jordaens, die in feiner Zeit lebten ohne feinen
Unterricht zu geniefsen. In den Werken Aller ftrahlt die volle Farbe und das
warme blonde Licht, bei allen findet man die elegante Linie, den breiten
weichen Auftrag, das fchöne und reiche Naturleben. Es fterben zwar die
guten Eigenlchatten allmälig dahin, indem an die Stelle der warmen Befeelung
früherer Page fchulmäfsiges Nachtreten und leerer Formalismus tritt, aber
doch dauerte Rubens’ Ueberlieferung lange genug, um das Jahrhundert bis
zum Ende mit reichem Glanz zu verklären und Antwerpens Kunftruhm für
ewig zu ficlrern.

Wären die Zeiten günftiger gewefen, fo hätten wohl ein neues Leben
und neue Ideen auch eine neue Schule auf den Ruinen der Rubens’fchen erflehen
laffen, aber leider fanken die Wohlfahrt und das geiftige Leben in diefen Landen
niemals fo tief, als gegen das Ende des 17. Jahrhunderts. Keine Wiedergeburt,
fondern eine Periode des Verfalls, ihrerfeits wieder ein Jahrhundert dauernd,
folgte auf die Epoche der Rubens’fchen Schule. Ehe wir jedoch diefe düfteren
Tage in Betrachtung ziehen, erübrigt uns noch von jenen Künftlern des
17. Jahrhunderts zu fprechen, welche, obwohl fie indirekt Rubens’ Einflufs
empfingen, doch nicht zu feiner Schule gerechnet werden können: nemlicli von
den Hiftorienmalern feiner Zeit und von den Kleinmeiftern des 17. Jahr-
hunderts.
 
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