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Rooses, Max
Geschichte der Malerschule Antwerpens: von Q. Massijs bis zu den letzten Ausläufern der Schule P. P. Rubens — München, 1881

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https://doi.org/10.11588/diglit.20661#0413
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Artus Wolfaerts. Gonzales Coques.

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liebend find. Damit foll nicht getagt fein, dafs die Antwerpen’fchen Maler
damit ihre Eigenart verleugneten, die fie in der niederländifchen Schule aus-
zeichnet, nemlich das Streben nach Verfchönerung, nach Vornehmheit und
nach dem Herrenmäfsigen. Weit entfernt, denn auch die vlämifchen Bauern-
maler, Teniers zuerft und vor Allen, ftellen fich in ihren Werken fo herren-
mäfsig dar, wie in ihrem Leben. Van Craesbeeck darf als eine Ausnahme
betrachtet werden, aber er ift kein Antwerpener von Geburt und war über-
diefs Schüler und Genofse eines auswärtigen Künftlers, des Adriaan Brouwer.
Die Landfchafts- und Marinemaler der Scheldeftadt übertreiben leider den Hang
zur Verfchönerung, und fuchen der Natur, die ihnen nicht fchön genug, etwas
Bedeutenderes, Kunftgerechteres und Feffelnderes zu verleihen. Auch die
Genremaler Antwerpens ftreben nicht minder nach Vornehmheit und felbft bei
den Stilllebenmalern bemerkt man den Hang zur Aufputzung.

Wie fchon die Betrachtung der fich um Rubens gruppirenden Maler,
fo zeigt uns auch ein Blick auf die unabfehbare Reihe von Namen, welche
fich uns bei der Befprechung der Kleinmeifter darbietet, auf überzeugende
Weife, was für eine fruchtbare Zeit für die niederländifche Kunft das 17. Jahr-
hundert war! Wie fänden wir ein Ende, wenn wir von all diefen Männern
ein erfchöpfendes Bild entrollen und Begabungen wie Leiftungen Aller genau
darftellen wollten ! Da an ein folches Unternehmen nicht zu denken, miifsen
wir uns befcheiden, nur bei den hervorragendften und zwar auch bei diefen
nur in Kürze zu verweilen, um nur in breiten Zügen die verfchiedenen Gebiete
und deren Vertreter zu charakterifiren.

Wir wählen unter den zahlreichen Meiftern, die wir in diefem Capitel
zu befprechen haben, zunächft einen, welcher durch feine Gegenftände zu den
Hiftorienmalern, durch feine Behandlung zu den Genremalern gehört. Es ift
Artus Wolfaerts, geboren zu Antwerpen, aber drei Monate nach feiner
Geburt mit feinen Eltern nach Dordrecht übergefiedelt, wo er am 29. Dezember
1603 in die St. Lucasgilde trat. Sein Name wurde fpäter aus unbekannten
Gründen aus den Ljggeren der Gefellfchaft mit der Meldung geftrichen, dafs
Wolfaerts fein Geld verloren. 1616 liefs er fich in die Antwerpen’fche St.
Lucasgilde einfehreiben, 1640/41 wurde feine Todfchuld bezahlt.*

Nach de Bie malte er religiöfe und poetifche Scenen. Das Mufeum
von Madrid befitzt zwei fehr liebliche mit A. W. bezeichnete Bildchen, welche
die »Flucht nach Aegypten« (Nr. 1826) und die »Ruhe auf der Flucht nach
Aegypten« (Nr. 1827) darftellen. Im erfteren führen zwei Engel die reifende
Familie durch eine gefällige Landfchaft, im zweiten tanzen Kinder in einem
fchönen Garten einen Rundtanz. Beide Stücke find hell im Licht, delicat
gemalt, und im Ganzen genommen ausgezeichnet, wenn auch die Ferne etwas
bläulich und die Erfcheinung etwas porzellanartig ift. Zeigen Wolfaerts Com-
pofitionen eine auffällige Uebereinftimmung mit jenen des Pieter van Avont,
fo gleicht fein Vortrag mehr dem des Hendrik van Baien.

Möglichft nahe an der Art und Weife der grofsen Meifter fleht GON-
ZALES COQUES oder Cocx. Er malte befonders Familienbilder, in welchen
er die Glieder eines Haufes in eleganten Gruppen und Actionen zufammen-
ftellte. Seine nur einen Fufs hohen Figuren haben die Breite der guten Meifter
aus Rubens’ Schule und deren durchfichtige Färbung. Ein Unicum in feiner
Spezialität ift er auch einer der verdienftlichften Meifter der vlämifchen Schule.

* Archief voor Nederlandsche Kunstgeschiedenis Rotterdam 1877/78 I. 91. Boek gehouden
door Jan Moretus- II, als deken der St. Lucasgilde. (Uitgave der Antwerpsche Bibliophilen
187S p. 44.)
 
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