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Ross, Ludwig; Schaubert, Eduard; Hansen, Christian
Die Akropolis von Athen nach den neuesten Ausgrabungen, Erste Abtheilung: Der Tempel der Nike Apteros — Berlin, 1839

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https://doi.org/10.11588/diglit.949#0005
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ERSTER ABSCHNITT.

Zustand der Akropolis im Jahre 1833. — Veranlassung und Anfang der Ausgra-
bungen. — Abbruch der obern Batterie. — Auffindung und Wiederaufrichtung des
Tempels der Nike Apteros.

Die Akropolis von Athen mit ihren Kunstschätzen war seit länger als anderthalb Jahrtausenden ununterbrochen der
Zerstörung durch jegliche Art von Rohheit und Barbarei ausgesetzt gewesen, und ihre Gebäude hatten namentlich im
Laufe der letzten anderthalb Jahrhunderte durch die bekannten Ereignisse des Venetianischen Bombardements *, der
Plünderungen des Grafen von Elgin und seiner Künstler2, und der Türkischen Belagerung im Jahre 1827 3
bejammernswerthe und unersetzliche Verstümmelungen erfahren. Da trat endlich mit der Gclangung S. M. des
Königs Otto auf den griechischen Thron die von der ganzen gebildeten Welt ersehnte Periode des Schutzes für
dieselbe und des Strebens nach Erhaltung der noch vorhandenen kostbaren Ucberbleibscl ein. Am 1833
räumten die Türken die heilige Burg und übergaben sie den Truppen des Königlich Bairischen Hülfskorps. Von
jetzt an wurde mit der grössten Sorgfalt über die Erhaltung der ehrwürdigen Denkmäler und ihre Sicherstellung vor
jeglicher Verletzung gewacht; und hieran knüpften sich bald Hoffnungen auf neue Entdeckungen auf diesem ge-
weihten Boden.
Der erste Versuch einer Ausgrabung auf der Akropolis geschah bereits im Mai 1833, vermittelst einer kleinen
durch Herrn Pittakis auf dem Wege der Subscription zusammengebrachten Summe. Er belohnte sich durch
Auffindung dreier wohlerhaltener Relicfsplattcn von der Nordseite des Frieses des Parthenon4, und mehrer Inschriften5.
Die weitere Anregung grösserer und umfassenderer Ausgrabungen und Restaurations-Arbeiten auf der Akropolis
wurde zunächst dem berühmten Architecten Herrn Leo von Klenzc verdankt. Während seiner Anwesenheit in
Athen im August 1834 fasste Herr von Klenzc den Plan zu einer vollständigen Reinigung der Akropolis von den
sie entstellenden Trümmern und Schutthaufen moderner Gebäude, und zur Wiederaufrichtung der Säulen und Cella-
mauern des Parthenon, so weit sie aus den vorhandenen beträchtlichen Ucberresten geschehen kann; und S. M. der
König und Allerhöchstdcro hohe Regentschaft geruhten, den hierauf gerichteten Antrag unmittelbar zu genehmigen.
Noch unter Herrn von Klenzc’s persönlicher Leitung wurde durch den Hauptmann von Spiess ein kleiner Anfang
mit der Arbeit gemacht, der wieder zur Auffindung dreier, obgleich stärker beschädigter Friesplatten von der
Nordseite des Parthenon führte. Gleichzeitig wurde das mittlere der modernen Gewölbe, welche die Propyläen
sperren, durchgeschlagen, und auf diese Weise der alte Eingang zur Akropolis wieder eröffnet, durch welchen
S. M. der König am 10. September Seinen festlichen Einzug auf die Akropolis zu halten geruhte, um den Anfang
der Arbeiten in Augenschein zu nehmen, und dem Fortgänge derselben durch die Aufrichtung des ersten Säulenstücks
des Parthenon, Seine hohe Genehmhaltung zu crthcilcn.
Die Fortsetzung der Ausgrabungen und Restaurations-Arbeiten auf der Akropolis wurde dem Verfasser dieses
Werkes unter Mitwirkung der Mitherausgeber übertragen; allein verschiedene Umstände veranlassten einen mehr-
monatlichen Aufschub, während dessen jedoch am Eingänge der Akropolis, unterhalb des südlichen Flügels der
Propyläen und über dem Odeion des Hcrodes, eine Wohnung für die zur Bewachung der Alterthümer bestimmten
Invaliden hergcrichtct wurde.
Am 31. December 1834 (12. Januar 1835) wurde endlich die Ausgrabung an der Südwesteckc des Parthenon
begonnen und bis jetzt längs der Westfa^ade, längs dein grösseren Thcilc der Südseite, längs der Ostfa^ade und
längs einem Theile der Nordseite fortgeführt. Leber die Resultate dieser Nachgrabungen ist das Wichtigste in
fortlaufenden Berichten durch das Kunstblatt zur öffentlichen Kunde gebracht worden6; eine genauere Beschreibung
derselben kann erst in einer der folgenden, den Parthenon betreffenden Lieferungen dieses Werkes zugleich mit den
nöthigen Plänen und Zeichnungen gegeben werden.

*) Fanelli, Atene Attica p. 312. —
Leake, Topographie v. Athen, S. 68 flg. —
Bröndsted, Reisen II, S. 174 bis 189.
2) Die Elginschen Künstler beschränkten sich bekanntlich nicht darauf, die von
ihrem Platz heruntergefallenen Bildwerke u. s. w. fortzuschaffen (was vielleicht
zu rechtfertigen gewesen wäre), und die Statuen aus den Giebelfeldern des
Parthenon wegzunehmen, was wenigstens ohne Beschädigung des Gebäudes
geschehen konnte, sondern sie zerstörten geradezu die Gebäude selbst. Sie
stürzten längs der Südseite des Parthenon das Kranzgesimse hinunter, um
die Metopen ausheben zu können; sie nahmen von der südlichen Halle des
Erechtlieion eine Karyatide weg, lind ersetzten sie durch einen rohen
gemauerten Pfeiler; sie brachen von der östlichen Halle desselben Gebäudes
eine Säule ab, u. s. w.

3) Die vorzüglichsten durch das damalige Bombardement angerichteteu Beschä-
digungen sind der Umsturz dreier Säulen und der auf ihnen ruhenden Decke
von der nördlichen Halle des Erechtlieion, und der Umsturz der westlichen
Wand desselben Tempels mit zweien der Halbsäulen. Ausserdem wurden
sämmtliche Gebäude, besonders die Westseite des Parthenon, durch Bomben
und Kugeln arg zugerichtet.
■*) Blätter f. liter. Unterh. 1833. No. 184; Kunstblatt 1835. No. 80,
wo diese drei Platten in Kupfer gestochen sind.
5) Unter diesen war der Architrav von dem anders woher nichtbekannten
Tempel der Roma und des Augustus, C. J. G. I, n. 478, und das Psephisma
zu Ehren des Päonenkönigs Audoleon, hall. Archäol. Intellgzbl. 1834, N. 31.
6) Kunstblatt 1835, No. 20. 27. 31. 45. 76 — SO, und 1836, No. 16.
24. 39. 40. 42. 56. 57 und 60.

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