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Ross, Ludwig; Schaubert, Eduard; Hansen, Christian
Die Akropolis von Athen nach den neuesten Ausgrabungen, Erste Abtheilung: Der Tempel der Nike Apteros — Berlin, 1839

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https://doi.org/10.11588/diglit.949#0015
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Beschreibung des Niketempels.

11

Detail seiner Verzierungen eine auffallende Achnlichkeit mit dem sogenannten, leider jetzt gänzlich verschwundenen 9,
Ionischen Tempel am Ilissos; nur ist der Baumeister des Nike-Tempels durch den beschränkten Raum der Plateform
der Mauerantc, die ihm als Bauplatz angewiesen war, genöthigt gewesen, dem letzteren eine verhältnissmässig weit
geringere Länge zu geben. Der bequemeren Uebersicht wegen setzen wir eine Vergleichung der Hauptmaasse beider
Tempel hierher.
Tempel am Ilissos. Siegstempel.
(die Maasse in Englischen Fuss und Zoll.)

Länge der obersten Stufe - -- -- -- -- -- -- -- - 40. 9.
Breite derselben - -- -- -- -- -- -- -- -- -- 18. 8.
Höhe der Säulen mit Basis und Capitell - -- -- -- -- -- 14. 8.
Zwischenweite der Säulen von Mittelpunkt zu Mittelpunkt ----- 5. 6.
Länge der Cella (äussere Länge) - 28. 7.
Höhe des Gebälks (Architrav, Fries und Corniche) - -- -- -- 3. 71.

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Diese Vergleichung zeigt, dass verhältnissmässig an unserem Tempel die Säulen noch niedriger sind, und das
Gebälk noch höher ist, als an dem verschwunden Tempel am Ilissos, der mit Recht schon für eins der ältesten
Beispiele der Ionischen Ordnung gilt10; ein Umstand, der dem Siegstempel ein, wenigstens um etliche Olympiaden
höheres Alter zu vindiciren scheint, als jenem ihm sonst so ähnlichen und wahrscheinlich nach seinem Muster11

gebautem Tempel.
Die Cella des Siegstcmpels wai* auf der Ostscite offen; der Eingang wurde durch zwei schmale Pfeiler gebildet,
welche die Innern Architrave und auf ihnen die Balken und Casscttcn der Fehlerdecke der östlichen Vorhalle trugen.
Von einer Thür sicht man keine Spur. Der Raum aber zwischen den Eingangspfeilern und den Anten der Cella-
maucr war auf beiden Seiten durch metallene Gitter geschlossen, von welchen man an den Pfeilern wie an den
Anten die Löcher, in denen sic befestigt waren, und andere Spuren wahrnimmt. Doch scheinen diese Gitter erst
später hinzugesetzt worden zu sein, was sich aus der Art schliessen lässt, wie der Sockel, auf welchem sie ruhten,
zwischen den Basen der Eingangspfeiler und denen der Anten eingefügt ist12. Aehnliche Gitter waren auf beiden
Seiten der östlichen Prostasis, zwischen den beiden Ecksäulcn und den Anten der Cella; aber hier wenigstens lagen
sie in dem ursprünglichen Plane, wie sich daraus ergiebt, dass die horizontalen Cannelurcn der Wulst an der
Säulenbase und dem Sockel, so weit sie von dem daranstossenden breiten Gitter bedeckt waren, nicht ausgearbeitet
sind120. — Es begreift sich leicht, warum sich dieses Gitter in der westlichen, hart auf dein Rande des Unterhaus
aufstehenden Porticus nicht wiederholt fand; da man, wenn der Raum zwischen den MaueranJen und den Ecksäulcn
geschlossen gewesen wäre, nur durch gefährliches Hcrumklettcrn um die Aussenseite der Säulen in die Halle hätte
gelangen können.
Die Innern Wände der Cella scheinen mit Gemälden bedeckt gewesen zu sein. Ich schliesse dies daraus,
dass die Quadern hier nicht, wie an der Aussenseite des Tempels oder wie in dem (nicht ausgemalten) Innern des
Opisthodomos des Parthenon, völlig glatt polirt, sondern ein wenig rauh gelassen sind; eben wie in dem Innern
des nördlichen Flügels der Propyläen. An dieser rauhen Fläche haftete der dünne Stuck besser, mit welchem
man die Wände überzog, und auf welchem dann gemalt wurde.
Die gemalten Ornamente der Architrave, Antcncapitelle, Gesimse und Casscttcn sind, so weit sich ihre Umrisse
erkennen liessen, in den Kupfertafeln dargestellt und in der Beschreibung derselben angegeben worden. Die Farben
liessen sich nicht mehr unterscheiden.

VIERTER ABSCHNITT.

Der Fries des Siegstempels. — Die Balustrade des Unterbaus.

JLJer Fries (£w^öpog) des Siegstcmpels, 0,448 Meter hoch, und wie alles Üebrige, aus Pentclischem Marmor, ist
mit einer ringsum laufenden Darstellung in Hautrclief geziert. Vier Stücke dieses Frieses waren, nach der
Demolition des Tempels, in ein nahes Gemäuer eingebaut worden, wo Stuart sie sah und Pars sic zeichnete13, und
von wo Lord Elgins Künstler sic im Jahre 1804 aushoben und nach England brachten14. Auf diese Stücke gründeten
die Herren Cockerell und Leake zum Thei! ihre oben15 erwähnte Restauration des Siegstcmpels. Die übrigen Reliefs
des Frieses, so wie die Balustrade, welche den Unterbau auf der Nordseite krönte, waren bis zu der letzten Aus-
grabung unbekannt.
Da Pausanias dieser Sculpturen mit keiner Silbe gedenkt, und auch Carrey, der Maler des Marquis von
Nointel, sic nicht gezeichnet hat, so sind Spon und Whcler die einzigen Reisenden, von welchen wir Nachrichten
über die Beschaffenheit und Anordnung des Frieses, vor der Abtragung des Niketcmpels, zu erwarten berechtigt

9) Vgl. über das Schicksal dieses schönen Gebäudes: Leake, Topographie
von Athen S. 81 der deutsch. Uebers.
10) Vgl. die Anm. 15 der Herausgeber zu Stuart, Alterth. v. Athen, Ir Band,
S. 93 der deutsch. Ausg.
n) Wie z. B. die Propyläen in Eleusis eine Nachbildung der Propyläen der
Akropolis waren.

12) Siehe Taf. II. Fig. 2 bei vergl. Taf. X Fig. 4.
12b) Siehe Taf. II. Fig. 2 bei ec.
13) Stuart, Alterthümer v. Athen, Lieferung 9, Tafel 5 und 6 der deutschen
Ausgabe.
*4) Leake, Topographie S. 249 der deutsch. Uebers,
ls) Vgl. oben Abschn. 3, Anm. 84.

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