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Ross, Ludwig; Schaubert, Eduard; Hansen, Christian
Die Akropolis von Athen nach den neuesten Ausgrabungen, Erste Abtheilung: Der Tempel der Nike Apteros — Berlin, 1839

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https://doi.org/10.11588/diglit.949#0008
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ZWEITER ABSCHNITT.

Eingang zur Akropolis. — Sacellum der Ge und der Demeter. —- Aufgangstreppe
vor den Propyläen. — Postament des Agrippa. — Reuterstatuen.

Der letzte Gegenstand, den Pausanias in seiner Beschreibung des Aufganges zur Akropolis nach dem Heiligthum
der Aphrodite Pan de mos oder Hippolytia und der Peitho23 *, und vor den Propyläen erwähnt, ist ein Heilig-
thum der Erde und der Demeter: „hier ist auch ein Heiligthuni der jugendnährenden Erde und der Demeter
„Chloe. Was ihre Beinamen betrifft, so kann man darüber die Priester ansprechen und sich von ihnen belehren
„lassen 2i.“
Es ist zu bemerken, dass der Perieget sich hier des Singulars itqbv (sacellum, Ein Heiligthuni) bedient; woraus
sich bereits schliessen lässt, dass es ein gemeinschaftliches Heiligthuni beider begriffsverwandten Gottheiten war.
Dieses Heiligthuni wurde schon von Leake richtig in zwei Nischen an der Westseite des grossen Pfeilers vermuthet,
mit welchem die südliche, nach einstimmigen Zeugnissen von Kimon erbaute25 Mauer der Akropolis hier endigt.
Die Nischen waren damals vermauert: wodurch Leake zu der irrigen Annahme verleitet wurde, dass sie nur den
Eingang zu einem grösseren im Innern des Pfeilers angebrachten Raume (dem eigentlichen Heiligthuni) bildeten26.
Allein als ich im Januar 1835 die moderne Mauer wegreissen liess, ergab sich, dass diese vermeinten Eingangsthüren
nur zwei unter sich verbundene Nischen sind, 2,325 Meter hoch, und die nördlichere 1,18 Meter breit und 1,22
Meter tief, die südlichere aber nur 0,67 Meter tief bei einer Breite von 1,31 Meter. Ein freistehender Pfeiler,
dessen hintere Ecken stumpf abgeschrägt sind, trennt sie von einander27. Im Innern finden sich keine Spuren einer
Verkleidung mit Marmor, Stuck oder Farben, sondern nur der rohe, obgleich sorgfältig bearbeitete Poros-Stcin, aus
welchem die ganze Mauer der Akropolis bestand28. Die ausserordentliche Kleinheit der Nischen macht es nicht
wahrscheinlich, dass Statuen darin aufgestcllt waren, sondern nur Altäre; höchstens könnten sie kleinere Schnitzbilder
(£dam) enthalten haben.
Hiermit stimmen nun die Zeugnisse der Alten vollkommen überein. Denn äusser Pausanias selbst, der, wie
wir gesehen haben, nur von einem Heiligthum, nicht einem Tempel29, spricht, bedient sich auch Aristophanes30 nur
des Ausdrucks rö r/jg X/.6^z, wobei sich nur tegov, ‘tsuzvoz, ßgera?, äyafyca, gdavov oder ein ähnliches Wort ergänzen
lässt. Suidas ferner kennt nur einen Altar der Ge Kurotrophos, den Erichthonios gegründet haben soll31. Der
Scholiast des Sophokles endlich erwähnt ebenfalls nur ein Uqov der Demeter Euchloos an der Akropolis und führt
einen Vers des Eupolis zum Zcugniss dafür an 32. Dies sind, so weit ich sehe, die einzigen Anführungen des Heilig-
thums der genannten Göttinnen. Die jugendnährende Erde kennen wir ausserdem noch aus einer Anrufung bei
Aristophanes 33 als eine Athcnäische Gottheit.

23) Paus. 1, 22, 3. — Eurip. Hippol. 29 mit dem Scliol. — Diodor. 4,
62. — Scliol. Hom. Odyss. II, 321. — Vgl. Böckli zum C. I. Gr. n.
481 (\ ol. 1, p. 470). — Ueber die Verschiedenheit dieser Aphrodite von
der Pandemos an der Agora (Harpokr. u. d. W. Ildvd. ^A<[ood.) vgl.
meine Schrift: Tö xal o vaog tov 1838, S. 15,
Anm. 41.
“') Paus. a. a. O.: eoti di xal rijg KoVQOTqö'fov, xal /frjiL^roog itobv Xioijg.
Ta di eg Tag emovvfiiag eöiiv avicöv didaylli^vae TOlg le^evoiv el.tlwia
eg koyovg.
25) Flut- Kimon 13. — Paus. 1, 28, 3. — Corn. Nepos, Kimon 2. —
Vgl. unten Absch. 3, Anm. 90 — 92.
2fi) Leake, Topographie, Taf. 3, bei P, und S. 234 folg. Die Türken hatten
eine Tradition, dass das Innere des Pfeilers hohl und mit Sand gefüllt sei,
und dass man im Falle einer Belagerung nur die Mauern der Nische zu
durchstossen brauche, um durch den herausfliessenden Sand den Zugang
zur Akropolis zu versperren. Die Löcher waren während der Belagerung
durch die Griechen im Jahre 1821 wirklich gemacht worden, aber es wollte
kein Sand herausfliessen!
2”) Siehe unsere Tafel 3, Fig. 1, G und II, und Fig. 2.
2S) Durch einen Gedächtnissfehler verwechselt Leake diesen Stein mit dem
Eleusinischen Marmor. Vgl. Kunstblatt 1835, No. 20.
29) Die Ungenauigkeit im Gebrauche des Wortes Tempel, deren sich namentlich
französische und englische Reisende schuldig gemacht haben, indem sie vaog,
legbv und vepevog ohne Unterschied damit zu übersetzen lieben, hat
in der alten Topographie vielfache Verwirrung angerichtet. Hauptsächlich
mögen die lateinischen Uebersetzungen der griechischen Schriftsteller zu
solcher Ungenauigkeit Anlass gegeben haben. Aber Templum hat im
Lateinischen eine viel weitere Bedeutung als Tempel in den neueren
Sprachen, oder vaog im Altgriechischen. Der vaog ist das eigentliche mit
Säulen gezierte Tempelhaus; die blosse Cella, oder ein sacellum;
leqov und Tepevog sind weitere Begriffe, und können daher einen und
selbst mehre vaovg mit einschliessen, wie das leobv des Asklepios bei
Epidauros, Paus. 2, 26, 1; aber leobv bedeutet an sich nur ein Heilig¬

thum, und bezeichnet daher gewöhnlich, wo nicht bestimmte Zeugnisse
entgegenstehen, nur eine Capelle (sacellum) wie in dem vorliegenden Falle,
oder eine geweihte Grotte, wie die Holde des Pan und Apollon (Paus. 1,
28, 4, wo Leake S. 148 dennoch von einem Tempel spricht); ze/ievog
aber einen geweihten Bezirk, mit oder ohne Tempel, Capellen, Altäre
und geheiligte Grotten (wie das Isqov oder zs/ievog der Aglauros, wie
Leake S. 200 richtig bemerkt. Dennoch hält Stuart das Agrauleion für
einen Tempel und verwechselt es mit dem Tempel der Nike Apteros.
Alterth. v. Athen 2 Bd. S. 75 der d. Ausgabe.) Vgl. über die verschiedene
Bedeutung dieser Wörter Mustoxydes in der Alyivaid S. 158—166
(und meine Schrift: ro Qrftelov u. s. w. S. 11—14).
3°) Aristoph. Lysistr. 835: naoä rd T^g Xl.o-qg. Diese Stelle dient auch
topographisch zur Bestätigung, dass das in Rede stehende Heiligthum an
dem von uns angenommenen Orte, am Aufgange zu den Propyläen, lag. Es
war bereits evtog t<äv (fv).axMV (V. 817).
31) Suidas u. d. W. KovQOTQÖrpog Eij' Tavry ilvßai c/atii to ttoüiov Eory&öviov
ev ''ÄxooTtokei, xal ßcofiov IdgvGaaO-ai, ydgiv dnodiddvta rfj ylj räv
TQOcfeiajV xaragijcai di viipifiov Tovg Hvovtdg uvi -D-eä Tavtq nootfveiv.
Ueber die ie(ui(Svva, welche die Priesterinn der Demeter Chloe erhielt,
vergl. die Inschrift bei Böckli, Vorrede zum Berliner Lectionskatalog für
das Winterhalbjahr 18|f, Zeile 13—16, S. 4.
32) Scholion zu Sophokles Oedipus auf Kolonos V. 1596:
Ee/).oov Ar^ir^ioog leqov e<iu Ttgog vfi *AxQomi2.si'
xal Evnohg Maotxä’” «12’ evllv nöXewg eipr llvoai yaq [is del xqiov
Hier kommt es nur auf das Zeugniss des Scholiasten und den Vers des
Eupolis an; ob übrigens Sophokles wirklich das Heiligthum der Chloe an
der Burg gemeint habe, wie Reisig mit dem Scholiasten annimmt, oder ob
an ein anderes Heiligthum näher beim Kolonos zu denken sei, wie Elmsley
und Hermann wollen, können wir hier unentschieden lassen. Nur scheint
die letztere Annahme grössere Localschwierigkeiten zu haben, als die
erstere.
33) Aristoph: Thesmoph. V. 300.
 
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