»ie obere Batterie. Findung des Niketempels. Wiederaufrichtung desselben.
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An das beschriebene ältere Gemäuer nun waren sowohl auf der inneren, als auf der äusseren Seite jüngere
Mauern angelehnt, durch welche man die Batterie hatte breiter machen wollen, um sie dann noch durch Auftragung
der obenerwähnten Erdschicht erhöhen und auf ihrem Rücken schweres Geschütz aufführen zu können. Von diesen
jüngeren Mauern war die äussere, auf der Westseite, fast nur aus Bruchsteinen aufgeführt; die innere aber, gegen
die Propyläen gewandte Mauer bestand fast lediglich aus den Resten des Tempels des ungeflügelten Sieges, und zwar
waren die Quadern, Gesimse und Architrave, wie schon oben erwähnt, grösstenteils in die Fläche der Wand einge-
mauert, die Säulen aber, die Capitelle, Friesstücke u. s. w. zur Füllung des inneren Raumes verwandt worden, welchem
Umstande man ihre Erhaltung und namentlich ihre Bewahrung vor den Händen der reisenden Kunstfreunde zu
danken hat.
Wenn man nun erwägt, dass Spon und Whelcr den Tempel der Nike Aptcros noch stehend sahen, und dass
dagegen die Venctianischen Geschichtschreiber der Belagerung und Einnahme von Athen denselben nicht mehr als
vorhanden erwähnen17, so kann, glaube ich, über die Epoche der Zerstörung des kleinen Tempels und über die Art
und Weise derselben kaum ein Zweifel bleiben. Die Türken selbst haben ihn zerstört, als sie nach dem Ausbruche
des letzten Venctianischen Krieges (seit 16*84) und nach Verlegung des Kriegsschauplatzes in den Peloponnes (seit
1685) die Möglichkeit eines Angriffes der Venetiancr auf Athen vorhersahen, und eine Verstärkung der Festungs-
werke an der Westseite der Akropolis für nöthig hielten. Sie trugen daher den Tempel ab, erbauten daraus die
neue Mauer, erhöhten den ganzen Bau durch Aufschüttung von Erde, die sie mit den Cassetten der Propyläen
bedeckten, und führten dann auf dieser Batterie sechs Geschütze auf13.
Die im Obigen entwickelte Vermuthung über die Veranlassung und die Art des Verschwindens des Siegstempels
bestätigt sich vollkommen durch die Beschaffenheit seiner Ucberrcstc. Es ist an denselben, wenn gleich drei Säulen
und mehre Capitelle, Quadern, Architrave und Friesstücke, in Folge des rohen Verfahrens bei Demolirung des
Gebäudes, zerbrochen gefunden wurden, doch nirgends eine Spur von Beschädigung durch schweres Geschütz wahr-
zunehmen; noch weniger aber ist der Tempel durch Auffliegen des unter ihm 19 befindlichen Pulvermagazins zerstört
worden20, denn dies Pulvermagazin, eine in den Boden der Cella ausgegrabene und mit einem Gewölbe überdeckte
Kammer fand sich vollkommen unversehrt. Bei Anlegung desselben hatte der Tempel unmittelbar nur in so fern
gelitten, als die Türken die Platten des Fussbodens, des Gew ölbes wegen, herausgerissen, und die drei Stufen in der
Mitte der Ostfa^ade durchschnitten hatten, um einen engen Eingang zu der Kammer zu machen; aber mittelbar hat
diese Operation die Folge gehabt, dass der Sockel der Cella sich auf beiden Seiten um mehre Zoll gesenkt hat, und
die Sockelstücke durch diese Senkung arg zerborsten sind: ein Umstand, der die Wiederaufrichtung des Tempels
bedeutend erschwerte.
Nachdem nun in den ersten Tagen des April 1835 mit Abtragung der Batterie der Anfang gemacht worden
war, stiessen wir bald in dem östlichen oder jüngeren Theile derselben auf die Trümmer des Tempels der Nike,
und liessen daher diesen Theil zuerst abbrechcn. Gleichzeitig gelangte man am südlichen Ende der Batterie auf
die Fundamente des Tempels; es fanden sich die drei Stufen, der ganze Sockel der Cella, und an der Südost-Ecke
zw ei Säulcnbascn, die eine mit einem Stück des Säulenschaftes, noch am Platze21: und jetzt liess sich Hoffnung zu
einer thei (weisen Wiederaufrichtung dieses schönen Baudenkmals fassen. Die Arbeit wurde daher eifrigst fortgesetzt,
und bis zum Julius 1835 waren die Trümmer des Tempels ziemlich vollständig auf dem Platze vor den Propyläen
beisammen, bis auf einzelne Stücke, die sich später tiefer in der Batterie oder auf andern Punkten in der Nähe
gefunden haben, während Einzelnes, leicht begreiflicher Weise, gänzlich zu fehlen scheint. Nach einer Unterbrechung
der Arbeit auf mehre Monate w urde im December die Wiederaufrichtung des Tempels begonnen, und bis jetzt fast
vollendet. Bei diesem letzteren Geschäfte hat der Architekt Herr E. Laurent aus Dresden grösstenteils die
Aufsicht geführt. Nur an den drei zerbrochenen Säulen w urden neue Tambours aus Pentclischem Marmor cingefiigt,
und eine Basis aus demselben Material neu verfertigt, einige mangelnde oder halbzerbrochene Quadern der Cella-
mauer aber durch neugearbeitete Stücke aus Porosstein ersetzt.
*") Selbst Coronelli, dessen histor. Beschreibung der Reiche Morea
und Negroponte schon 1687, noch vor dem Bombardement von Athen,
in einer deutschen Uebersetzung zu Frankfurt a. M. herauskam, kennt den
Niketempel nicht mehr; denn mit dem Ionischen in ein Pulvermagazin ver-
wandelten Tempel, den er in Athen anführt (S. 218 der d. Ueb.) ist offenbar
das Erechtheion gemeint, da man sonst annehmen müsste, dass er dies viel
bedeutendere Gebäude mit Stillschweigen übergangen habe. Vgl. d. folg. Anm.
ls) Man könnte gegen das im Text Behauptete Fanelli anführen, welcher in
seiner Atene Attica p. 315 sagt: nell’ entrar della ritirata predetta com-
parisce prima il tempio della fama senza ale costrutto di quadroni
di bianco finissimo marmo, con scannellate colonne di ordine Dorico;
sopra l’architrave e nel fregio spiccano figure aggruppate di basso rilievo
di spiritosa scoltura; fü eretto ad honore di Teseo u. s. w. Aber erstlich
ergiebt sich aus dem ganzen, erst 1707 gedruckten Buche, dass der Ver-
fasser nie selbst in Athen war, sondern nur nach den Werken seiner Vor-
gänger, nach den Aufnahmen und Zeichnungen Venetianischer Officiere, und
vielleicht nach einigen handschriftlichen Notizen arbeitete; zweitens ist die
obige Beschreibung fast wörtlich aus Spon und Wheler übersetzt (vgl. unt.
Anm. 82), selbst der Irrthum Whelers, dass die Säulen Dorisch statt Ionisch
genannt werden; und drittens, wenn die Venetiancr den Tempel noch
stehend fanden: warum schenkte ihm Fanelli nicht ein eignes Kapitel mit
einer besonderen Ueberschrift, wie er bei allen übrigen Altertlüimern Athens
gethan hat? — Allein es ist gewiss, dass der Tempel zur Zeit der Anwe-
senheit der Venetianer schon verschwunden war; denn in der veduta del
Castro d’Acropolis della parte di mezzo giorno bei Fanelli ist er nicht zu
sehen, obgleich der damals noch vorhandene Fronton der Propyläen richtig
angegeben ist (vergl. oben Anm. 12); und in seiner pianta del Castello ist
der Tempel eben so wenig angegeben, sondern an seiner Stelle die Batterie
L in derselben Form und Ausdehnung, welche sie vor ihrem jetzigen
Abbruch hatte. In der Erklärung des Planes führt Fanelli freilich den
Siegstempel auf, und verweist auf das Zeichen T; allein dies Zeichen
findet sich in der pianta zweimal, und beide Male am unrechten Orte: einmal
in dem nördlichen Flügel der Propyläen; dann wieder unterhalb des Posta-
ments des Agrippa, auf der nordwestlichen Ecke der untersten Batterie. —
Es ist nach diesem Allen wohl klar, dass der unkritische Verfasser die
Existenz des Tempels nur durch Spon und Wheler kannte; dass er, da er
von dem Verschwinden desselben keine Nachricht hatte, ihn in seine pianta
del Castello aufnehmen zu müssen glaubte, und dass er sich hierbei so
gut half, wie er konnte. — Nicht günstiger urtheilt über Fanelli auch
Bröndsted, Reisen, B, S. 174, Anm. 5.
19) Spon sagt ungenau (voyage, T. 2, p. 106): il (le temple) sert maintenant
aux Tures de magasin a poudre; und Wheler (journey, p. 358) wieder-
holt wörtlich dasselbe.
2°) Diese Vermuthung äussern Leake, Topogr; Einl. S. 71 der d. Ueb., und
Bröndsted, Reisen, II, S. 179. Vgl. dagegen Kunstblatt 1835, No. 77.
— Aber S. 248, 249 deutet Leake selbst schon das Richtige an.
2I) Ein Grundriss des Fundaments, so weit es bis zum 16ten Junius v. J.
aufgedeckt war, findet sich im Kunstblatt 1835, No. 77.
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An das beschriebene ältere Gemäuer nun waren sowohl auf der inneren, als auf der äusseren Seite jüngere
Mauern angelehnt, durch welche man die Batterie hatte breiter machen wollen, um sie dann noch durch Auftragung
der obenerwähnten Erdschicht erhöhen und auf ihrem Rücken schweres Geschütz aufführen zu können. Von diesen
jüngeren Mauern war die äussere, auf der Westseite, fast nur aus Bruchsteinen aufgeführt; die innere aber, gegen
die Propyläen gewandte Mauer bestand fast lediglich aus den Resten des Tempels des ungeflügelten Sieges, und zwar
waren die Quadern, Gesimse und Architrave, wie schon oben erwähnt, grösstenteils in die Fläche der Wand einge-
mauert, die Säulen aber, die Capitelle, Friesstücke u. s. w. zur Füllung des inneren Raumes verwandt worden, welchem
Umstande man ihre Erhaltung und namentlich ihre Bewahrung vor den Händen der reisenden Kunstfreunde zu
danken hat.
Wenn man nun erwägt, dass Spon und Whelcr den Tempel der Nike Aptcros noch stehend sahen, und dass
dagegen die Venctianischen Geschichtschreiber der Belagerung und Einnahme von Athen denselben nicht mehr als
vorhanden erwähnen17, so kann, glaube ich, über die Epoche der Zerstörung des kleinen Tempels und über die Art
und Weise derselben kaum ein Zweifel bleiben. Die Türken selbst haben ihn zerstört, als sie nach dem Ausbruche
des letzten Venctianischen Krieges (seit 16*84) und nach Verlegung des Kriegsschauplatzes in den Peloponnes (seit
1685) die Möglichkeit eines Angriffes der Venetiancr auf Athen vorhersahen, und eine Verstärkung der Festungs-
werke an der Westseite der Akropolis für nöthig hielten. Sie trugen daher den Tempel ab, erbauten daraus die
neue Mauer, erhöhten den ganzen Bau durch Aufschüttung von Erde, die sie mit den Cassetten der Propyläen
bedeckten, und führten dann auf dieser Batterie sechs Geschütze auf13.
Die im Obigen entwickelte Vermuthung über die Veranlassung und die Art des Verschwindens des Siegstempels
bestätigt sich vollkommen durch die Beschaffenheit seiner Ucberrcstc. Es ist an denselben, wenn gleich drei Säulen
und mehre Capitelle, Quadern, Architrave und Friesstücke, in Folge des rohen Verfahrens bei Demolirung des
Gebäudes, zerbrochen gefunden wurden, doch nirgends eine Spur von Beschädigung durch schweres Geschütz wahr-
zunehmen; noch weniger aber ist der Tempel durch Auffliegen des unter ihm 19 befindlichen Pulvermagazins zerstört
worden20, denn dies Pulvermagazin, eine in den Boden der Cella ausgegrabene und mit einem Gewölbe überdeckte
Kammer fand sich vollkommen unversehrt. Bei Anlegung desselben hatte der Tempel unmittelbar nur in so fern
gelitten, als die Türken die Platten des Fussbodens, des Gew ölbes wegen, herausgerissen, und die drei Stufen in der
Mitte der Ostfa^ade durchschnitten hatten, um einen engen Eingang zu der Kammer zu machen; aber mittelbar hat
diese Operation die Folge gehabt, dass der Sockel der Cella sich auf beiden Seiten um mehre Zoll gesenkt hat, und
die Sockelstücke durch diese Senkung arg zerborsten sind: ein Umstand, der die Wiederaufrichtung des Tempels
bedeutend erschwerte.
Nachdem nun in den ersten Tagen des April 1835 mit Abtragung der Batterie der Anfang gemacht worden
war, stiessen wir bald in dem östlichen oder jüngeren Theile derselben auf die Trümmer des Tempels der Nike,
und liessen daher diesen Theil zuerst abbrechcn. Gleichzeitig gelangte man am südlichen Ende der Batterie auf
die Fundamente des Tempels; es fanden sich die drei Stufen, der ganze Sockel der Cella, und an der Südost-Ecke
zw ei Säulcnbascn, die eine mit einem Stück des Säulenschaftes, noch am Platze21: und jetzt liess sich Hoffnung zu
einer thei (weisen Wiederaufrichtung dieses schönen Baudenkmals fassen. Die Arbeit wurde daher eifrigst fortgesetzt,
und bis zum Julius 1835 waren die Trümmer des Tempels ziemlich vollständig auf dem Platze vor den Propyläen
beisammen, bis auf einzelne Stücke, die sich später tiefer in der Batterie oder auf andern Punkten in der Nähe
gefunden haben, während Einzelnes, leicht begreiflicher Weise, gänzlich zu fehlen scheint. Nach einer Unterbrechung
der Arbeit auf mehre Monate w urde im December die Wiederaufrichtung des Tempels begonnen, und bis jetzt fast
vollendet. Bei diesem letzteren Geschäfte hat der Architekt Herr E. Laurent aus Dresden grösstenteils die
Aufsicht geführt. Nur an den drei zerbrochenen Säulen w urden neue Tambours aus Pentclischem Marmor cingefiigt,
und eine Basis aus demselben Material neu verfertigt, einige mangelnde oder halbzerbrochene Quadern der Cella-
mauer aber durch neugearbeitete Stücke aus Porosstein ersetzt.
*") Selbst Coronelli, dessen histor. Beschreibung der Reiche Morea
und Negroponte schon 1687, noch vor dem Bombardement von Athen,
in einer deutschen Uebersetzung zu Frankfurt a. M. herauskam, kennt den
Niketempel nicht mehr; denn mit dem Ionischen in ein Pulvermagazin ver-
wandelten Tempel, den er in Athen anführt (S. 218 der d. Ueb.) ist offenbar
das Erechtheion gemeint, da man sonst annehmen müsste, dass er dies viel
bedeutendere Gebäude mit Stillschweigen übergangen habe. Vgl. d. folg. Anm.
ls) Man könnte gegen das im Text Behauptete Fanelli anführen, welcher in
seiner Atene Attica p. 315 sagt: nell’ entrar della ritirata predetta com-
parisce prima il tempio della fama senza ale costrutto di quadroni
di bianco finissimo marmo, con scannellate colonne di ordine Dorico;
sopra l’architrave e nel fregio spiccano figure aggruppate di basso rilievo
di spiritosa scoltura; fü eretto ad honore di Teseo u. s. w. Aber erstlich
ergiebt sich aus dem ganzen, erst 1707 gedruckten Buche, dass der Ver-
fasser nie selbst in Athen war, sondern nur nach den Werken seiner Vor-
gänger, nach den Aufnahmen und Zeichnungen Venetianischer Officiere, und
vielleicht nach einigen handschriftlichen Notizen arbeitete; zweitens ist die
obige Beschreibung fast wörtlich aus Spon und Wheler übersetzt (vgl. unt.
Anm. 82), selbst der Irrthum Whelers, dass die Säulen Dorisch statt Ionisch
genannt werden; und drittens, wenn die Venetiancr den Tempel noch
stehend fanden: warum schenkte ihm Fanelli nicht ein eignes Kapitel mit
einer besonderen Ueberschrift, wie er bei allen übrigen Altertlüimern Athens
gethan hat? — Allein es ist gewiss, dass der Tempel zur Zeit der Anwe-
senheit der Venetianer schon verschwunden war; denn in der veduta del
Castro d’Acropolis della parte di mezzo giorno bei Fanelli ist er nicht zu
sehen, obgleich der damals noch vorhandene Fronton der Propyläen richtig
angegeben ist (vergl. oben Anm. 12); und in seiner pianta del Castello ist
der Tempel eben so wenig angegeben, sondern an seiner Stelle die Batterie
L in derselben Form und Ausdehnung, welche sie vor ihrem jetzigen
Abbruch hatte. In der Erklärung des Planes führt Fanelli freilich den
Siegstempel auf, und verweist auf das Zeichen T; allein dies Zeichen
findet sich in der pianta zweimal, und beide Male am unrechten Orte: einmal
in dem nördlichen Flügel der Propyläen; dann wieder unterhalb des Posta-
ments des Agrippa, auf der nordwestlichen Ecke der untersten Batterie. —
Es ist nach diesem Allen wohl klar, dass der unkritische Verfasser die
Existenz des Tempels nur durch Spon und Wheler kannte; dass er, da er
von dem Verschwinden desselben keine Nachricht hatte, ihn in seine pianta
del Castello aufnehmen zu müssen glaubte, und dass er sich hierbei so
gut half, wie er konnte. — Nicht günstiger urtheilt über Fanelli auch
Bröndsted, Reisen, B, S. 174, Anm. 5.
19) Spon sagt ungenau (voyage, T. 2, p. 106): il (le temple) sert maintenant
aux Tures de magasin a poudre; und Wheler (journey, p. 358) wieder-
holt wörtlich dasselbe.
2°) Diese Vermuthung äussern Leake, Topogr; Einl. S. 71 der d. Ueb., und
Bröndsted, Reisen, II, S. 179. Vgl. dagegen Kunstblatt 1835, No. 77.
— Aber S. 248, 249 deutet Leake selbst schon das Richtige an.
2I) Ein Grundriss des Fundaments, so weit es bis zum 16ten Junius v. J.
aufgedeckt war, findet sich im Kunstblatt 1835, No. 77.
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