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Rott, Hans
Kunst und Künstler am Baden-Durlacher Hof bis zur Gründung Karlsruhes — Karlsruhe, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.8256#0022
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Zur selben Zeit mußte Hans Zeitblum von Pforzheim nach Stuttgart reisen und dort das
silberne Tafelgeschirr zeichnen und abmalen, um darnach Gleiches für den markgräflichen Hof
anfertigen zu lassen.')

Einen Kollegen Zeitblums kann ich namhaft machen in der Person des Malers Michael
Kern, vermutlich eines Sohnes des berühmten Bildschnitzers Hans Kern. Kern besaß das
Nürnberger Bürgerrecht, wohl weil er dort gelernt und sich verheiratet hatte, wohnte 1550
in Pforzheim und bat damals den Nürnberger Rat um Verlängerung seines Bürgerrechts,
d. h. um die Erlaubnis, noch länger zu Pforzheim weilen zu dürfen, unbeschadet seines
Bürger- und Zunftrechts. Da ihm von Nürnberg die Aufgabe des ersteren nahegelegt wurde,
ist zu vermuten, daß der Maler Kern schon längere Zeit zu Pforzheim tätig war.2) Sein Sohn
ist dann vielleicht der Pforzheimer Maler Hans Kern, der 1577 die große Orgel zu Stutt-
gart anstrich, die der Hofprediger und Orgelbauer Lukas Osiander für Herzog Ludwig
von Württemberg um 113 Gulden erstellte.3) Später begegnet er uns bei der Ausschmückung
des Gottesauer Schlosses.

Während der Regierungszeit des Markgrafen war auch ein bedeutender, bis jetzt noch
nicht in gebührender Weise gewürdigter Meister der Bildhauerkunst in der Markgrafschaft
Baden tätig, der aus Württemberg stammende und in seiner ersten Zeit dort schaffende
Christoph von Urach. Bei dem Uracher Bildschnitzer und Steinbildhauer haben wir es mit
einem vielseitigen Meister von merkwürdiger Eigenart, mit einem phantasiereichen und
talentvollen Einspänner zu tun, der stets ein neues Gesicht zeigt. Seine Werkstatt, in der
eine Reihe tüchtiger, bis jetzt unbekannter Kräfte arbeiteten, darunter auch eine Zeitlang
höchstwahrscheinlich der unten genannte Landsmann Christophs, Joseph Schmie! von Urach
(daraufweisen auch dessen spätere, örtlich weit auseinander liegende Aufträge in der Wormser
Gegend, zu Hochberg, im Schwäbischen und Hohenloheschen), entfaltete eine weitverzweigte
Tätigkeit, wie sich aus der Aufzählung der Orte Urach, Ehingen, Wertheim, Pforzheim, Besig-
heim (damals Baden-Uurlachisch), Baden-Baden, Offenburg und Kenzingen ergibt. Ich versuche
deshalb, seine von 1518 bis 1543 durch Daten und Inschriften bezeichneten Werke mit
weiteren unbekannten erstmalig hier zusammenzustellen.4)

Die früheste, noch völlig gotische Arbeit, die der junge Bürger Urachs 1518 schuf, ist
der Taufstein in der dortigen Stiftskirche, ein bereits kunstreifes Werk, auf dem sich Christoph
stolz einen "Statuarius«, d. h. einen Meister im Figürlichen, nennt, ein Titel, den alle seine
späteren plastischen Schöpfungen rechtfertigen. °) Ziemlich sicher ist auch seine Mitwirkung
bei dem spätgotischen Uracher Marktbrunnen, der in der Hauptnische das Standbild des
hl. Christoph, seines Patrons, trägt. Freier, dem Zuge des neuen Stils leise folgend, wirkt
bereits die noch altbemalte Holzskulptur des Meisters in der Stadtkirche zu Ehingen a. D , die
Marter St. Veits darstellend, mit des Künstlers Namen und Jahrzahl.6) Mit Recht wird dem

') L. c. fol. 10. Bernhard an Christoph, Pforzheim, 3. Dez. 1552: »Wir biten E. L. freundtlich, sie wollen onbschwert
sein und zaigern dis briefs, unsern maler und lieben getrewen Hannsen Zeitblumen, E. L. silberine essplaten oder
schisslen und becher entwerfen oder abconterfeyen laßen, dann wir seind willens solliche und andere silbergschirr
machen zu laßen.« — Während des Fürstenkriegs 1552 ließ Markgraf Ernst sein Silbergeschirr und Archivalien auf den
Hohenasperg in Sicherheit bringen. L. c. E. an Christoph 30. Juli 1552 fol. 7.

2) »Micheln Kern, dem maler, die begert erlaupnus, zu Pfortzhem ze wonen, ableinen und sagen, er mögs
bürgerrecht aufsagen,« 14. Juli 1550. Th. Hampe, Nürnberger Ratsverlässe I (1904), 450 Nr. 3250 (— Quellenschr.
f. Kunstgesch. N. F. XI—XIII).

3) (!. Bossert in Württemb. Vierteljahrshefte2 IX (1900), 279 und unten.

4) Artikel bei Thieme-Becker, Allg. Lex. d. bild. Künste VI, 546, 547, nicht vollständig; Schumann in der
Württemb. Oberamtsbeschr. O.A. Urach 2 (1909) p. 596 ff.; A. Klemm, Baumeister und Bildhauer (1882) p. 110, 113 f.,
127, 162; Demmler, Die Grabdenkm. d. württemb. Fürstenhauses p. 90fr.

D) Die Kunst- und Altertumsdenkmale im Königr. Württemberg. Schwarzwaldkreis (1897), p. 464 mit Abb.
p. 469. Die Inschrift lautet; »Exstructum aiio virginei partus 1518 pridie kalendas maias per nie Christophorum
statovarium civem Urach(en)sem.«

6) »1519 am 12 tag febru. zü Urach durch Stoffel.« M. Schütte, Der schwäbische Schnitzaltar, 1907 (— Studien
zur d. Kunstgesch. Heft 91), p. 66, 127, 145 und Taf. 14.

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