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wohl unter ihnen der Älteste und hatte neben dem Vater den Unterhalt der Familie mit-
zutragen. Damit ließe sich erklären, daß er die ersten zehn Jahre nach dem Abschluß der Aus-
bildung in seiner Heimatstadt blieb. Die Quellen berichten von mehrfachem Mißgeschick, das
die Haushaltung belastet haben muß. Nach der Mutter starb auch die zur Führung des Haus-
wesens angenommene Schwägerin. [17] Ein Nachlaßstreit von 1492, die zwischen 1495 und
1498 verhandelten Beleidigungsklagen gegenüber einer Nachbarsfamilie, eine 1501 in Coburg
eingetriebene Geldforderung [18] werfen Licht auf angespannte Verhältnisse und halten die
durch Leidenschaft verzerrten Züge des Lucas und seines Vaters fest. [19] Die Fähigkeit, sich
im Rechtshandel zu behaupten, hat Lucas in diesen Jahren erwerben können.

Eine überlieferte Abwesenheit im Jahre 1498, Arbeiten im nahen Coburg seit 1500 fallen in
die Kronacher Zeit. Bisher als Legende hingestellt, hat die Nachricht von Cranachs Teilnahme
an einer Pilgerfahrt ins Heilige Land im Jahre 1493 vielleicht doch einen gewissen Wahrheits-
gehalt. [20] Die Reise wurde von Kurfürst Friedrich von Sachsen zusammen mit seinem Onkel
Herzog Christoph von Bayern unternommen. In dem stattlichen Gefolge, das leider nicht voll-
ständig überliefert ist [21], könnte sich der junge Maler befunden haben, obgleich bereits zwei
Berufskollegen den Kurfürsten begleiteten. Es bliebe die Möglichkeit eines Dienstverhält-
nisses bei Herzog Christoph, der bei der Rückreise auf Rhodos dem Fieber erlag und als För-
derer von Künstlern in verschiedenen Fällen bekannt ist. [22] Die achtmonatige Fahrt hätte
Cranach die Begegnung mit Venedig, dem Mittelmeer und dem Heiligen Land bringen kön-
nen : einen Schatz früher Erfahrungen und die Verbindung zu Kurfürst Friedrich. Cranachs
Arbeiten lassen keinen festen Schluß auf Eindrücke einer solchen Fahrt zu, der Holzschnitt
einer Karte des Heiligen Landes aus späteren Jahren braucht nicht unbedingt auf eigene Auf-
nahmen zurückzugehen. [23] Im Falle der Teilnahme und der frühen Berühmtheit des Künst-
lers würde die Rückkehr nach Kronach in einem seltsamen Licht erscheinen.

Cranachs Wirken in seiner Heimatstadt ist bisher verborgen geblieben. Es wäre eine Art
von Gemeinschaftsarbeit mit dem Vater denkbar, an der später auch Matthes, der Bruder, teil-
genommen haben kann. Nach guter alter Überlieferung soll Lucas von seinem Vater in der
Malerei [24] unterrichtet worden sein. Vielleicht arbeitete der Vater als Zeichner für den Holz-
schnitt, aber es dürfte schwer sein, die Spuren, die sich anbieten [25], zu verfolgen, da die
Person des Künstlers in dieser Technik im allgemeinen nicht entschieden hervortritt.

Kronach lag im Bereich der blühenden fränkischen Kunstlandschaft, die von Nürnberg bis
tief in den sächsischen Bereich hineinwirkte. [26] Die Katzheimer, Maler in Bamberg, müssen
Cranach bekannt gewesen sein. Man verdankt ihnen die frühesten erhaltenen Landschafts-
aufnahmen mit Gebäuden; auch Cranach hat später Proben von seinem Können in diesem
Fach gegeben. Von der stärksten Künstlerpersönlichkeit der Familie, Lorenz Katzheimer, der
das Monogramm L Cm führte [27], ist Lucas als Kupferstecher abhängig, wenn auch die
bekannten Arbeiten erst 1509 und später entstanden sind. Cranachs Anschluß ist begründet in
einer ähnlichen malerischen Auffassung vom Kupferstich, in einer Lebendigkeit, die der
raschen Arbeitsweise beider entsprochen haben wird. Es ist bemerkenswert, daß Dürers gold-
schmiedhafte Gediegenheit im Stechen keine Herrschaft über Cranach gewann. Daraus könnte
geschlossen werden, daß Katzheimers Vorbild besonders in die bildsame Frühzeit des Künst-
lers hineingewirkt hat.

Als Maler und Zeichner für den Holzschnitt hat Dürer überragenden Einfluß auf Cranach
ausgeübt, und zwar in einer Weise, die vermuten läßt, daß diesem die Werkstatt des Nürn-
berger Meisters zugänglich war. [28]
 
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