Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
vorgezeichnet, aber die Vielzahl gleichwertiger Handlungen schwächt das grausame Ge-
schehen. Die Eitelkeit und Pedanterie, der Mechanismus menschlicher Bosheit, sind unheim-
lich nahe, die Christusgestalt geht darin unter. Der Gewinn an Breite der Handlung ist erkauft
mit einem Verlust an Tiefe. Die naiv gefugte Wand in übereilter perspektivischer Verkürzung,
von einem unbeholfenen Speichenfenster geschmückt, von einer Säule mit schielendem Tier-
kopf im Kapitell begleitet, bilden eine karge Begleitung, die gegenüber der Stärke der Neben-
motive früher Bilder ganz besonders ernüchternd wirkt.

Das Andachtsbild des Christus als Schmerzensmann ist nach der Darstellung zwischen zwei

Tafel )6 anbetenden Engeln auf der Rückseite der Nothelfer-Tafel [498] entscheidend durch Dürers
Kupferstich von 1509 [499] gefördert worden. Er liegt Cranachs Gemälde Christus an der
Geißelsäule von 1515 [500] zugrunde. Bei diesem Bild scheint ein ikonographischer Zusam-
menhang mit dem Holzschnitt des Herzens Mariä zu bestehen: die gleiche Reihe von Heiligen
kniet zu Füßen Christi. Bald darauf muß das erste Bild des Schmerzensmannes als Halbfigur
entstanden sein. Von den vielen teils erheblich später entstandenen Fassungen hebt sich das

Tafel 8j Weimarer Fragment mit Vorhang haltenden Engeln [501] durch kräftige Vorzeichnung ab,
die auf Neu- oder Zwischenfassung schließen läßt.

Es ist schwer zu ermitteln, welchen Anteil profane Absichten an manchen weiblichen
Heiligenbildern haben. Die Mehrzahl der Darstellungen von Judith, Salome, Bathseba, Adam
und Eva, der Ehebrecherin vor Christus wären als biblische Themen allein nur unvollständig
erklärt. Sie gehören im Grunde mit den Bildern der Venus, Diana, Lukretia, den Grazien und
den Darstellungen biblischer und antikischer Urzustände zu dem ausgebreiteten Bereich
erotischer Motive, der im zweiten Viertel des sechzehnten Jahrhunderts erblüht.

68
 
Annotationen