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der Sebastiansaltar Burgkmairs [599], vielleicht auch das verschollene Marienbild Conrad
Meits [600]. Diese Werke sind vermutlich als eine Art Pfand gegen das ausstehende Hofgehalt
zurückgehalten worden und blieben mit stillschweigender Duldung von seiten des Weimarer
Hofes, dem Christian Brück, ein Schwiegersohn Cranachs, angehörte, in Wittenberg.

Es sind gewiß noch unter der Hand aus Cranachs Werkstatt Holzschnitte hervorgegangen
[601], die den gestürzten Kurfürsten verherrlichten, der als ein Märtyrer beliebt geworden
war. Ebenso sicher hat aber auch der neue Landesherr, Kurfürst Moritz, Cranach d. J. für sich
arbeiten lassen. [602] Die Wahrnehmung der Geschäfte durch Vater und Sohn erleichterte
offenbar in den ersten Jahren der Unentschiedenheit das Arbeiten für Sieger und Besiegte.

Die Entscheidung des jüngeren Cranach für Wittenberg ist deutlich in seiner Wahl zum
Ratsherrn im Jahre 1549. Fast zwanzig Jahre gehörte er dem Stadtregiment an: 1555, 1561
und 1564 als einer der beiden Kämmerer, 1565 als Bürgermeister, welches Amt er 1568 auf
eigenen Wunsch wieder abgab. [603] Da der jüngere Cranach in ein eigentliches Dienst-
verhältnis zum Dresdener Hof nicht trat, war er darauf bedacht, alte Vorrechte, wie das Privi-
leg zum Weinausschank, durch den neuen Kurfürsten sichern zu lassen. [604] Kurfürst
August scheint den Maler mit Wohlwollen behandelt zu haben, der 1555 zu einer Hofjagd
geladen, gelegentlich um Auskünfte in heraldischen Problemen gebeten wurde.

Insgeheim blieb der jüngere Cranach in Verbindung mit dem ernestinischen Fürstenhof in
Weimar, an dem in den folgenden Jahren der Plan einer Adelserhebung gegen den Kaiser
unter Wilhelm von Grumbach, einem Schwager des Bauernführers Florian Geyer, Gestalt
annahm. Johann Friedrich, der Sohn des geächteten Kurfürsten, versprach sich von ihr die
Wiederherstellung verlorener Herrschaftsansprüche und darüber hinaus, durch Frankreich
begünstigt, einen höheren Aufstieg. Cranach hatte die dunklen Geschäfte des Hofes durch ein
Darlehen von tausend Taler zu finanzieren geholfen. Er bemühte sich 1566 vor Ausbruch
der Feindseligkeiten, diese Summe zurückzuerhalten, vielleicht gewarnt durch seinen Schwa-
ger, den einflußreichen Weimarer Kanzler Christian Brück. Gelegentliche Ehrengeschenke an
den Meister und verschiedene postume Ehrungen für Lucas Cranach den Älteren mögen eine Seite 419
verlockende Wirkung ausgeübt haben. Mit der Niederschlagung der Grumbachschen Händel
durch Kurfürst August im Jahre 1568, nach der Brück gefoltert und gevierteilt wurde, brach
die Verbindung ab. Cranach zog sich vom Amt des Bürgermeisters daraufhin sofort zurück.
Doch blieb der Maler so weit in Ansehen, daß ihm Zacharias Wehme, ein kurfürstlicher Seite 434
Stipendiat, für die Jahre 1571—1581 zur Ausbildung übergeben wurde. Auch von der harten
Auseinandersetzung des Kurfürsten mit der Partei der gemäßigten Protestanten, den soge-
nannten Kryptocalvinisten, muß Cranach 1575 berührt worden sein. Mit ihr hatten die Jahre
des <wahren Goldenen Zeitalters > [605] seit 1565 für Wittenberg ein Ende, die humanistischen
Studien in Sachsen waren gebrochen. [606]

Das ängstliche Beharren des sächsischen Kurfürsten auf der Sicherung seiner Errungen-
schaften eröffneten der Kultur des Landes kaum Perspektiven. Der Versuch einer neuen
calvinistischen Ausrichtung nach seinem Tode, ein Werk der kurfürstlichen Räte Krell und
Paul, den Cranach nicht mehr erlebte, deckte die Unzulänglichkeit der Verhältnisse auf.
 
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