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Die glückliche Welt vor der Erkenntnis des großen Formates entfaltet ihren Zauber. Ihre
Zusammenhanglosigkeit bringt erst die Vergrößerung an den Tag, etwa in der Bearbeitung
Picassos.

Im größeren Format erst werden die Flächen in ihrer abstrakten Klarheit erkennbar. Eines
der auf diese Weise am stärksten durchgebildeten Werke ist die Darstellung der Judith mit
dem Haupt des Holofernes aus dem Jahre 1530. [622] Hier wirken gegenüber den voran- Tafeln 157,153
gegangenen Bildern in Wien und Stuttgart die entschiedensten Beziehungen in den Kurven
der Gegenstände und in den Linien der Architektur. Der Kopf in seiner edlen flächigen Ver-
formung ist eines der besten Beispiele für die Verbindung des Flächenstils mit der Naturge-
gebenheit. Das Ungewöhnliche der Handlung - eine vornehme Frau tötet den Feind ihres
Landes - ist geschildert mit der Unerbittlichkeit eines Naturvorganges, als seien Dame, Ritter
Schwert und Landschaftsausblick Dinge, die unter bestimmten Voraussetzungen sich nur in
dieser Weise begegnen konnten. Es entsteht etwas Merkwürdiges: kein Stilleben, sondern ein
Monument der kalten Unheimlichkeit unabsichtlicher Zusammenführung. Die Form über-
brückt unmöglich Scheinendes.

Die Farben so stark konstruierter Bilder verharren gewöhnlich in fester Unbeweglichkeit.
Ein Rot herrscht vor, die Flächen werden bei aller Feinheit der Durchbildung klar und kräftig
zusammengehalten. Diese feste, leicht reproduzierbare Ausbildung des Cranachstiles wird
allerdings bald wieder abgebaut. In Bildern nach 1530 treten helle Farben hervor, die Flächen
wirken wie durchleuchtet. Die noch immer betonten Umrisse erscheinen dadurch unbe-
stimmter. Eine behutsame Ordnung von Aufhellungen und Dämpfungen nähert die Werte
einander und bildet die Grundlage für feinere koloristische Lösungen.

Die verschiedenen Möglichkeiten der Wandlung sind nur schwer anhand von Reproduk-
tionen zu verfolgen. Format und Farbstimmung haben oft eine entscheidende Auswirkung
auf die Durchbildung der Bildfläche. Das ausgesprochene Kleinformat erweist sich als ein
eigener Bereich, vielleicht als das ursprünglichste Gebiet des älteren Cranach. Es war ihm,
ähnlich wie der Kupferstich, nicht ein Anlaß zu vollkommener Feinmalerei wie bei Dürer,
von dem in kleinem Figurenmaßstab vier Tafeln erhalten sind. [623] Anders als er malte Cra-
nach bereits das Reisealtärchen für den Landgrafen von Hessen [624] in unbekümmerter
Breite; die pfahlhafte Unbeweglichkeit der Figuren scheint ein Rest unbewältigter Veran-
lagung. So tritt wohl die Neigung zu flächiger Vereinfachung, nicht die Ausbildung zwar,
am frühesten in Miniaturformaten wie den Darstellungen des Hieronymus und des Leopold
von 1515 [625] zutage, zuerst in ungegliederter Einfalt ohne Glättung.

Bis in die späte Zeit scheint gestaltlose Freizügigkeit im Kleinformat erhalten. Bei den
Bildern, die für den älteren Cranach selbst in Anspruch genommen werden können, ist immer
wieder der Reichtum der Durchbildung bei entscheidenden Details auffallend, so scheint es
bei dem Gothaer Täfelchen Herkules bei Omphale [626] verglichen mit den Darstellungen des Tafel 175
gleichen Themas von anderen Werkstattmitgliedern.

Bedeutete für Cranach die Trennung von seiner Werkstatt 15 50, als er dem Wunsch Johann
Friedrichs nachgab und ihm in die Gefangenschaft folgte, nicht überhaupt die endgültige
Niederlassung im kleinen Format? Die wohl schon früher vollzogene Übergabe der Werk-
statt in die Hände des Sohnes war sicherlich eine dringende Entlastung des alternden Meisters,
von dessen Gesundheitszustand ein dem Sohn diktierter Brief an Johann Friedrich im Som-
mer 1547 eine bedenkliche Darstellung gibt. Die Annahme, daß der ältere Cranach seit diesen
Jahren nicht mehr an großen Gemälden beteiligt war, außer bei den gemalten Tüchlein, die

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