Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
die der Fortführung der Geschäfte dienten. Die Apotheke, damals wohl immer noch im
Hause Markt Nr.4, kam an die jüngste Schwester Anna, die seit 1550 mit dem Apotheker
Caspar Pfreund verheiratet war. Während das Vermögen der beiden Wittenberger Geschwister
auf gleichem Stand noch 1573 erhalten war, gerieten die beiden in Weimar und Gotha ansäs-
sigen Schwestern in Schwierigkeiten, aus denen Cranach der Jüngere ihnen half. Der Familie
des grausam hingerichteten Kanzlers Christian Brück war alles Eigentum entzogen worden,
bis Barbara, die Cranachtochter, nachweisen konnte, daß ihr eine namhafte Summe als Erbteil
ihres Vaters zustand. Georg Dasch in Gotha, der Ehemann Ursula Cranachs, scheint in un-
glückliche Geschäfte verwickelt gewesen zu sein, die das Hauswesen belasteten [804]; im
Jahre 1575 mußte ihr Bruder sich für die Freilassung der Schwester aus dem Schuldgefängnis
einsetzen.

Er selbst war zu gleicher Zeit von dem Rechtshandel mit dem Juristen Veit Örtel Winds-
heim bedroht und wenig später der Nachrede ausgesetzt, er verwende sein Weinschank-
privileg in unredlicher Weise. [805] Noch gehörte Cranach im Jahre 1573 zu den sechs reich-
sten Bürgern Wittenbergs, mit dem geschätzten Grundvermögen von über dreitausendund-
zweihundert Gulden. Ebenso hoch wie er war sein Schwager Caspar Pfreund, erheblich
höher allerdings die im Buchverlag erworbenen Vermögen von Barthel Vogels Witwe und
von Conrad Rühel versteuert. Ihre Vermögen betrugen das Doppelte und das Dreifache des
Cranachschen.

Von den Kindern des jüngeren Cranach lebte Lucas noch bis zum Jahre 1612 in Meißen; er
war an der Universität immatrikuliert gewesen und hatte nach ehrenvoller Anstellung in Tor-
gau zuletzt die Verwaltung der Fürstenschule in Meißen. Augustin, der 1554 geborene Sohn,
blieb, als Maler ausgebildet, in Wittenberg, erwarb das stattliche Haus Markt 23, lebte aber
nur bis 1595. Aus seiner Ehe mit Maria Seifisch, der Tochter eines Verlegers, ging unter
vielen Geschwistern mit Lucas (IV) noch einmal ein Maler hervor (1586-1645), von dessen
Arbeiten wir bisher nichts wissen. Andere Geschwister des Augustin waren mit einer Tochter
des erwähnten reichen Verlegers Vogel und mit dem bekannten Theologen Polycarp Leyser
vermählt.

Die Verhältnisse, in denen der jüngere Cranach 1586 starb, waren für Wittenberg noch
durchaus hervorragende, wenn es auch nicht zu einer allgemeinen Trauer gekommen zu sein
scheint wie beim Tode des bekannten Bibeldruckers Hans Lufft im Jahre 1584, ebenfalls
Seite 110 eines alten Bürgermeisters der Stadt. Für den Superintendenten Georg Mylius, der die Leichen-
predigt hielt, war Lucas Cranach einer der letzten Vertreter der großen zu Ende gegangenen
Epoche, Vorbild sozialen Wohlverhaltens. Mylius war strenger Lutheraner, ebenso wie
Leyser, der 1581 als strahlender junger Mann die jüngste Cranachtochter Elisabeth geheiratet
hatte. Es ist möglich, daß die Verdrängung der Lutheraner, die nach dem Tode Kurfürst
Augusts einsetzte, der einen Monat nach Cranach starb, auch die Erinnerung an Cranach
beeinträchtigte. Polycarp Leyser war es jedenfalls, der für die Erneuerung des Gedächtnisses
sorgte und Cranach als ein lebendiges Bild der Lutherischen Zeit feiern ließ. Er beauftragte
den jungen Dresdner Bildhauer Sebastian Walther mit einem ungewöhnlich großen Ala-
baster-Epitaph [806], wohl erst nach dem Tod der Cranach-Witwe im Jahre 1606, zu einem
Zeitpunkt, als mit Zacharias Wehme auch der letzte bedeutende Schüler des Meisters gestor-
ben war. Walthers Relief ist das Werk einer anderen Generation, die in freier lebhafter Weise
an süddeutsche und italienische Vorbilder Anschluß suchte. Von der Autorität Cranachscher
Kunst ist in ihm nichts zu spüren.

108
 
Annotationen