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Dann kamen wohl bewegte Jahre, standen -sich zwei Bischöfe gegen-
über, aber in den vorausgegangenen Zeiten der Buhe hatten die Wissen-
schafton feste Wurzeln geschlagen; das kaiserliche und bischöfliche Schisma
mochte sie in ihrer Entwicklung stören, konnte sie nicht zerstören. Bald
besass die Schule wieder einen berühmten Lehrer; zu Hartmanns Füssen
sass Vicelinus, noch Schüler, bald ein Gehülfe des Lehrers.1 Für Pader-
born ging diese ausgezeichnete Kraft verloren; es durfte zufrieden sein, den
Apostel der Slaven gebildet zu haben.2
Später finden wir als Lehrer den Franko,3 dann den Manogold.
Dieser verbeugt sich vorWibnld von Stablo, sagt dem Gelehrten in mytho-
logischem Vergleiche eine köstliche Schmeichelei und empfiehlt sich in
Versen. 4 Er ist offenbar ein gelehrter Mann.
Man sieht, es fehlte nicht an wissenschaftlichen Bestrebungen. In
der geschilderten Entwicklung war die Vorbedingung für jede literarische
Leistung gegeben. Besondere Verhältnisse waren der Geschichtschreibung
günstig.
Wie schon erwähnt, herrschte ein König aus sächsischem Stamme;
die Kriege Heinrichs V. hatten Westfalen auf das Allernächste berührt;
was die Regierung Heinrichs IV. bewegte, war nicht spurlos an Westfalen
vorbeigegangen. Paderborn selbst hatte eine unruhige Zeit durchlebt. Im
Jahre 1073 finden wir den Bischof Imad unter den Feinden des Kaisers;5
doch musste er sich bequemen, die Würzburger Beschlüsse zu unter-
schreiben. 0 Merkwürdig, dass er diese Beschlüsse nur um wonige Tage
philosophischer Versuch, klar oder unklar, wie in hundert anderen Urkunden. So
kann ich die Echtheit der Urkunde nicht beanstanden.
1) Helmold. c. 42» Die zahlreichen Verse dieses Kapitels haben Langenberg
M. Gt. Ss. 21,3 bestimmt, eine Vita Vieelins anzunehmen, vorsibus elegiacis scrip-
tam, diversam ab ea, qnao nobis est servata. Darin war denn die Jugendgcschichto
Vieelins, wie mau aus Helmold sieht, mit Genauigkeit und Vorliebe behandelt, —
ein Moment, das auf Paderborn als die Heimat des Gedichtes deuiet. Denn wo
hätte man von Vieelins Jugend so Vieles gewnsst, so gern erzählt, als in Pader-
born? Natürlich war die Studiongeschicito dann zu Vieelins apostolischer Wirk-
samkeit nur die Einleitung. In dieser Hinsicht scheinen mir Cappenbergs Worte
bedeutsam: »Man könnte ol't meinen, (wohl vorzüglich in Holmolds Berichten über
Vieelin und seine Thätigkeit,) Gedichte in aufgelöster Fenn zu haben.'
2) Hei der Gelegenheit vorweise ich auf eine Zougenschaft höchst merkwür-
diger Art, welche sich in einer Urkunde Bischof Heinrichs vom Jahre 1101
findet. Die Urkunde bei Schalen Annal. Paderb. 1,151. Cod. dipl. Westf. 1,134
bezeugt Carolus filius regis Danorum. Es ist der Sohn Knuds des Heiligen, der
nachmalige Graf von Flandern, seinem Vater an Gesinnung und Schicksal so ähn-
lich. Damals war er noch ein Jüngling; um 1084 geboren, stand er nun wohl in
dem Alter, wo man höhere Schulen besuchte. Sollte er Studien halber nach Pader-
born gekommen sein?
8) Franco magister scolarum ap. Erhard Cod.- dipl. Westf. 2,29.
4) Jaffe Bibl. ror. Genn. 1,275.
5) Lamberti annal. 106.
6) Das scheint mir Evelt in einem Anhange zu seiner Schrift ganz mit Un-
recht anzufechten. Das einzige, scheinbar beweisende Moment gegen die Echtheit
der Unterschriften ist, dass Bucco von Halberstadt damals gefangen war. Aber
Evelt vergisst, dass Bucco ein Gefangener dos Kaisers war. Ob wollend oder nicht,
Dann kamen wohl bewegte Jahre, standen -sich zwei Bischöfe gegen-
über, aber in den vorausgegangenen Zeiten der Buhe hatten die Wissen-
schafton feste Wurzeln geschlagen; das kaiserliche und bischöfliche Schisma
mochte sie in ihrer Entwicklung stören, konnte sie nicht zerstören. Bald
besass die Schule wieder einen berühmten Lehrer; zu Hartmanns Füssen
sass Vicelinus, noch Schüler, bald ein Gehülfe des Lehrers.1 Für Pader-
born ging diese ausgezeichnete Kraft verloren; es durfte zufrieden sein, den
Apostel der Slaven gebildet zu haben.2
Später finden wir als Lehrer den Franko,3 dann den Manogold.
Dieser verbeugt sich vorWibnld von Stablo, sagt dem Gelehrten in mytho-
logischem Vergleiche eine köstliche Schmeichelei und empfiehlt sich in
Versen. 4 Er ist offenbar ein gelehrter Mann.
Man sieht, es fehlte nicht an wissenschaftlichen Bestrebungen. In
der geschilderten Entwicklung war die Vorbedingung für jede literarische
Leistung gegeben. Besondere Verhältnisse waren der Geschichtschreibung
günstig.
Wie schon erwähnt, herrschte ein König aus sächsischem Stamme;
die Kriege Heinrichs V. hatten Westfalen auf das Allernächste berührt;
was die Regierung Heinrichs IV. bewegte, war nicht spurlos an Westfalen
vorbeigegangen. Paderborn selbst hatte eine unruhige Zeit durchlebt. Im
Jahre 1073 finden wir den Bischof Imad unter den Feinden des Kaisers;5
doch musste er sich bequemen, die Würzburger Beschlüsse zu unter-
schreiben. 0 Merkwürdig, dass er diese Beschlüsse nur um wonige Tage
philosophischer Versuch, klar oder unklar, wie in hundert anderen Urkunden. So
kann ich die Echtheit der Urkunde nicht beanstanden.
1) Helmold. c. 42» Die zahlreichen Verse dieses Kapitels haben Langenberg
M. Gt. Ss. 21,3 bestimmt, eine Vita Vieelins anzunehmen, vorsibus elegiacis scrip-
tam, diversam ab ea, qnao nobis est servata. Darin war denn die Jugendgcschichto
Vieelins, wie mau aus Helmold sieht, mit Genauigkeit und Vorliebe behandelt, —
ein Moment, das auf Paderborn als die Heimat des Gedichtes deuiet. Denn wo
hätte man von Vieelins Jugend so Vieles gewnsst, so gern erzählt, als in Pader-
born? Natürlich war die Studiongeschicito dann zu Vieelins apostolischer Wirk-
samkeit nur die Einleitung. In dieser Hinsicht scheinen mir Cappenbergs Worte
bedeutsam: »Man könnte ol't meinen, (wohl vorzüglich in Holmolds Berichten über
Vieelin und seine Thätigkeit,) Gedichte in aufgelöster Fenn zu haben.'
2) Hei der Gelegenheit vorweise ich auf eine Zougenschaft höchst merkwür-
diger Art, welche sich in einer Urkunde Bischof Heinrichs vom Jahre 1101
findet. Die Urkunde bei Schalen Annal. Paderb. 1,151. Cod. dipl. Westf. 1,134
bezeugt Carolus filius regis Danorum. Es ist der Sohn Knuds des Heiligen, der
nachmalige Graf von Flandern, seinem Vater an Gesinnung und Schicksal so ähn-
lich. Damals war er noch ein Jüngling; um 1084 geboren, stand er nun wohl in
dem Alter, wo man höhere Schulen besuchte. Sollte er Studien halber nach Pader-
born gekommen sein?
8) Franco magister scolarum ap. Erhard Cod.- dipl. Westf. 2,29.
4) Jaffe Bibl. ror. Genn. 1,275.
5) Lamberti annal. 106.
6) Das scheint mir Evelt in einem Anhange zu seiner Schrift ganz mit Un-
recht anzufechten. Das einzige, scheinbar beweisende Moment gegen die Echtheit
der Unterschriften ist, dass Bucco von Halberstadt damals gefangen war. Aber
Evelt vergisst, dass Bucco ein Gefangener dos Kaisers war. Ob wollend oder nicht,