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Schmidt, Richard
Fakire und Fakirtum im alten und modernen Indien: Yoga-Lehre und Yoga-Praxis nach den indischen Originalquellen — Berlin, 1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.2370#0131
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--- IOI ■—

dem Platze eintraf, fand er das Grab von einer ungeheuren Menge
von Hindus umgeben, die alle gespannt darauf warteten, Zeugen
dieser Ausgrabung oder der Auferstehung ihres heiligen Bruders
zu sein. Da der Chowdrie gleichzeitig eingetroffen war, so gab
man sofort den Befehl, den Erdhügel abzutragen und den Körper
des Heiligen herauszunehmen. Zum Entsetzen unseres Offiziers
kam er auch wirklich heraus, eingehüllt in die Decke von Kamel-
haar; und als man diese entfernte, fand man den Körper kalt
und steif wie eine Mumie. Als er mit Auge und Hand sich per-
sönlich davon überzeugt hatte, war er seines Unglücks sicher,
sah sich schon abgesetzt und als Mitschuldiger am Tode dieses
Heiligen-Schwärmers vor Gericht gestellt.

Für ihn gab es nur die eine Hoffnung, nach seiner Meinung
eine vergebliche, daß der Fakir durch die Mittel, welche zwei
seiner Jünger bei ihm seinen Vorschriften entsprechend an-
wandten, wieder hergestellt werden könnte. Sie rieben mit einer
Salbe Kopf, Augen und Augenbrauen, Handteller und Fußsohlen
ein, und besonders sorgfältig rieben sie dieselbe Salbe wiederholt
in der Herzgegend ein. Fast eine Viertelstunde lang hatten sie
diese Bemühungen fortgesetzt, ohne daß anscheinend irgend ein
Erfolg an dem dieser Prozedur unterworfenen Körper sichtbar
wurde, und so schwand die letzte Hoffnung des Europäers. Die
Eingeborenen dagegen hielten aus. Sie setzten ihre Manipu-
lationen mit unermüdlichem Eifer fort und waren endlich im-
stande, die Augenlider zu heben; das Auge sah starr aus wie bei
einer Leiche.

Allmählich jedoch konnte man leichte Bewegungen der
Augen bemerken, die langsam zunahmen, bis auch der Kopf
bewegt wurde; und nach fortgesetzten Bemühungen und Kneten
der Brust hob sich endlich diese, bis er schließlich einige Worte
sprechen konnte, zur unaussprechlichen Freude des Europäers
und der zahlreich versammelten Brahminen und anderen Ein-
geborenen.

Ungefähr in einer Stunde war der Fakir ziemlich wieder im
Besitz seiner geistigen und körperlichen Fähigkeiten, und der
Major verließ den Platz erfreut, von der Sorge befreit, seine
Stellung zu verlieren und als Mitschuldiger am Tode dieses
Büßers vor Gericht gestellt zu werden. Letzterer aber blieb auf
 
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