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Schmidt, Richard
Fakire und Fakirtum im alten und modernen Indien: Yoga-Lehre und Yoga-Praxis nach den indischen Originalquellen — Berlin, 1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.2370#0187
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liegende Form eines abgeschlossenen Ganzen gebracht wurden".
Sicherlich verdienen die Bedenken eines so ausgezeichneten
Kenners des Buddhismus wie Oldenberg alle Beachtung. Man
vergleiche seine Ausführungen in seinem „Buddha", sowie außer
Garbes eben genannten Aufsatz denjenigen in den Abh. d. bayer.
Akad. d. Wissenschaften XIX. Bd., III. Abt., S. 519 ff.; seine
Sänkhyaphilosophie S. 5 ff.; Jacobi, Der Ursprung des Bud-
dhismus aus dem Sänkhya-Yoga, NGGW., phil. Kl. 1896, S. 43 ff.;
Senart, Melanges de Harlez S. 286 ff., Dahlmann, Nirväna.
Jedenfalls leugnet das Sämkhya die Existenz eines höchsten
Wesens (Isvaräsiddheh I, 92), gerade so wie es der Buddhismus
tut, der ja bekanntlich, seinem Prinzip getreu, auch die Existenz
der Seele bestreitet. Was aber alle Systeme gleichermaßen an-
erkennen, ist die Existenz des Leidens in jedem Dasein; und die
Aufhebung dieses Leidens ist das einzige Ziel aller indischen
Systeme. Entschieden ein furchtbarer Gedanke ist es gewesen
und zugleich die unbewiesene Voraussetzung aller Philosophie
in Indien mit Ausnahme der materialistischen Richtung, daß
man an die Seelen Wanderung glaubte. Ein entsetzlicher Ge-
danke in der Tat, diese unaufhörliche Wiederkehr des Todes,
der zum ersten Male im Satapathabrähmana auftaucht und für
alle Zeiten dem indischen Denken sein für uns so merkwürdiges
Gepräge verliehen hat! Wir vermögen nicht mehr klar darin
zu sehen, wie die Vorstellung von der Seelenwanderung in Indien
aufgekommen und eine pessimistische Lebensanschauung den
frohen Sinn des vedischen Ariers verdüstert hat. Möglich, daß
die arischen Eindringlinge von den wilden Autochthonen Vorder-
indiens den bei Völkern niedrigster Entwicklung weit verbrei-
teten Glauben an das Eingehen der menschlichen Seele in
Bäume, Vögel oder Reptilien übernommen haben. Auf alle
Fälle hat die felsenfeste Überzeugung, daß alles Glück und alles
Unglück hienieden nur eine naturgemäße Folge des karman,
der Taten in einem früheren Dasein, sei, dem indischen Volke
die Kraft verliehen, in bewundernswürdiger Weise des Lebens
Mühe und Plage zu ertragen, wie es von allen Kennern gleicher-
maßen bestätigt wird. So gewinnt die Lehre vom karman und
mit ihr die von der Seelenwanderung die nicht immer richtig
anerkannte und betonte Bedeutung einer sittlichen Potenz.
 
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