Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Schudt, Ludwig
Italienreisen im 17. und 18. Jahrhundert — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 15: Wien, München: Schroll, 1959

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48523#0390
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Ansichten über die Kunst

Bewertung der Bekehrung Pauli und des Sturzes des Simon Mago in der Sakristei von S. Paolo Maggiore
zu Neapel durch den Abbe Richard dienen: ,,de la plus belle ordonnance, d’un dessin fier; on y reconnoit
le genie poetique de cet artiste qui scavoit rendre ses idees avec une sublimite d’expression qui lui etoit
particulier11.“
Ebenso hoch bewertet wurden Paolo de Matteis, wenn auch Cochin12 an dem Deckenbild in S. Francesco
Xaverio zu Neapel einige vorwiegend das Kolorit betreffende Ausstellungen machen zu müssen glaubte,
Giacomo del Po und Sebastiano Conca. Letzterer war durch seine Ausmalung von S. Chiara in Neapel
berühmt geworden, man erblickte in ihm die gleichen Fähigkeiten wie bei den genannten Meistern, wenn
sich auch die Komposition des Altarbilds von einem gewissen Schematismus und einer dementsprechen-
den Manieriertheit nicht freihielt13. Ferner wurde der Wunderbare Fischzug im Hospital zu Siena viel
besichtigt und beschrieben, da man in ihm eine der ausgeglichensten Leistungen der modernen Kunst
erkannte14.
Venedig
Das Zentrum der italienischen Malkunst, das seine Bedeutung immer bewahrt hatte und im 18. Jahr-
hundert wieder zu größter Blüte kam, war Venedig. Hier gelangen wir in die unmittelbare Gegenwart
und finden die Urteile unserer Schriftsteller zum Teil noch im Kampf der Tagesmeinungen befangen1.
Von den Übergangsmeistern zum Barock war der jüngere Palma besonders beliebt. In Zeichnung und
Farbe den Cinquecentomeistern ebenbürtig, verfügte er gleichzeitig über die bewährte kompositorische
Tradition der klassischen Zeit, wenn ihm auch die überragenden Eigenschaften Tintorettos und Vero-
neses abgingen2.
Ins 18. Jahrhundert gelangen wir mit Sebastiano Ricci, den man unter die großen Meister Venedigs
rechnete, da seine Kunst alle Vorzüge der Zeichnung, Farbe und Komposition aufwies. Was man ihm
allenfalls zum Vorwurf machte, war wie bei dem jüngeren Palma seine allzugroße Produktion, die die
auffallenden Qualitätsunterschiede seiner Bilder verursachte3.
Viel Interesse bieten die Urteile über Piazzetta, der für gewöhnlich als „peintre moderne“ bezeichnet
wurde, wie auch sein Stil als „maniere moderne“ galt. Man fand seine Zeichnungsweise neuartig und
kühn und konnte ihr eine eigenartige Wirkung nicht absprechen. Doch erschien sie „unkorrekt“, weil sie
die strenge Schulung an den klassischen Malern und der Antike sowie die genaue Kenntnis der Anatomie
vermissen ließ, so daß seine Figuren wie verstümmelt wirkten. Auch seine Farbgebung mit ihren dunklen
Tönen entfernte sich stark von den hellen Farben der klassischen Venezianischen Schule. Trotzdem war
die Wirkung seiner Werke sehr stark, wie bei seinem bekannten Altarbild, dem Erzengel Raphael in
S. Vitale zu Venedig, das De Brosses als „passable“ bezeichnete4. Seine Arbeiten waren sehr gesucht und
11 Richard IV, S. 127. Ähnlich auch Wright, S. 151, der Solimena besuchte und ihn als „very civil & obliging“ bezeichnete.
Lalande V, S. 355, über die Glorie in der Sakristei von S. Domenico in Neapel: „composition du plus grand genre, l’ordon-
nance en est admirable, l’invention poetique, l’allegorie tres-belle, & le pinceau brillant.“
12 Cochin I, S. 155. Wright, S. 153: „a good master of this time, but the vainest I think that ever I saw.“ Ferner, S. 157,
Besuch bei Giacomo del Po.
13 Richard IV, S. 144.
14 Cochin I, S. 225 f. Richard IV, S. 320 f.
1 Beachtenswerte Aufzählung der berühmtesten venezianischen Maler bei Nemeitz, S. 95: Sebastiano Ricci, Girolamo Buta-
ferro, Luca Carlevaris, Rosalba Carriera, Antonio Palestrieri, Gregorio Lazzarini, G. A. Zanchi, Lodovico Lamberti.
2 Richard II, S. 28 f.
3 Cochin III, S. 31 und 103.
* De Brosses I, S. 214. Richard II, S. 317.

384
 
Annotationen