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Schudt, Ludwig
Italienreisen im 17. und 18. Jahrhundert — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 15: Wien, München: Schroll, 1959

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https://doi.org/10.11588/diglit.48523#0396
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SCHLUSSWORT

Wir stehen nunmehr am Ende unserer Darstellung, in der der Versuch unternommen wurde, die wesent-
lichen Elemente dessen herauszuarbeiten, was zwei Jahrhunderte an Italien beachtenswert und schön
fanden. Die Interessen dieser Zeit erwiesen sich bei näherem Zusehen als so vielseitig, daß die Kenntnisse
eines einzelnen nicht ausreichen können, um auf allen Gebieten ein sachgemäßes Urteil abzugeben. So
müssen auch unserer Darstellung notgedrungenerweise schwere Mängel anhaften. Der Nachdruck liegt
bei ihr, dem engeren Arbeitsgebiet des Verfassers entsprechend, auf den kunstgeschichtlichen Abschnitten,
und der Geograph, der Historiker, der Staatsrechtler, der Folklorist werden ebenso wie der Musik- und
Theaterwissenschaftler auf ihren Gebieten große Lücken vorfinden. Doch mag ihnen der Anmerkungs-
apparat mit seinen ausgedehnten Hinweisen auf die Quellen die eine oder andere brauchbare Anregung
bringen. Unsere Aufgabe ist erfüllt, wenn es gelungen ist, das in vielen Punkten von unseren heutigen
Vorstellungen stark abweichende Italienbild des 17. und 18. Jahrhunderts einigermaßen zu rekonstruieren.
Wir fassen seine wesentlichen Züge in einer kurzen Überschau zusammen. Die Besucher Italiens bestreb-
ten sich bereits vor dem Antritt der Reise, an Hand des Kartenmaterials und der üblichen Handbücher
eine gründliche Vorstellung von der geographischen Beschaffenheit des Landes zu gewinnen. Dabei stand
das Praktische im Vordergrund. Der Verlauf der Gebirge und Flüsse sowie der Straßen und deren
Beschaffenheit, die Schiffbarkeit der Wasserwege, die Brauchbarkeit und Kapazität der Häfen, die ver-
kehrstechnische, weniger die landschaftliche Lage der Städte, ihre Bedeutung als Handelszentren und die
politischen Grenzen der einzelnen Staaten und Territorien waren die Gegenstände ihres Interesses. Im
allgemeinen erstreckte sich die Reise bis Neapel, bei fürstlichen und adligen Persönlichkeiten war es
üblich, noch weiter bis Malta zu gehen, das durch seinen aus allen Nationen Europas sich rekrutierenden
Orden ein Treffpunkt des europäischen Adels geworden war. Daß bei dieser Gelegenheit die Küstenorte
Kalabriens sowie die Hafenstädte Siziliens, Messina und Syrakus, und auf dem Rückweg mitunter
Palermo wenigstens flüchtig besucht wurden, war durch die Reiseroute gegeben.
Die Äußerungen über die Landschaft sind vor allem in der Frühzeit verhältnismäßig spärlich und muten
den heutigen Betrachter seltsam an. Daß das Land schön war, darüber gab es nur eine Stimme. Es war
der Garten Europas und der Preis gebührte der lombardischen Ebene, die mit ihrer unerhörten Frucht-
barkeit und ihren langen, schnurgeraden, von regelmäßigen Baumreihen eingefaßten Straßen am meisten
den Eindruck einer gartenmäßigen Anlage wachrief. Nur die Romagna, die ebenfalls diesen Charakter
aufwies, konnte es ihr gleichtun. Ein tüchtiger, arbeitsamer Menschenschlag hatte hier der Natur alle
Wildheit, die man besonders im Gebirge verabscheute, genommen und ein kultiviertes Land, das seinen
Besitzern reichen Ertrag abwarf, geschaffen, eine Landschaft, die zu beiden Seiten des Brentakanals
ihren höchsten Reiz entfaltete, wo die prachtvollen Villen des venezianischen Adels den Zauber der
regelmäßig angelegten Gärten noch erhöhten.
Der Nützlichkeitsstandpunkt, den diese Landschaftsauffassung verrät, bleibt während des ganzen von
uns behandelten Zeitraumes vorherrschend. Eine gewisse Wandlung gibt sich um die Wende des
17. zum 18. Jahrhundert zu erkennen, wo ein lebhafteres Interesse an Naturphänomenen erwacht und
man auch die landschaftlichen Reize der bis dahin vorwiegend vom antiquarischen Standpunkt aus be-
trachteten Phlegräischen Felder zu empfinden begann, bis gegen die Jahrhundertmitte sogar die verhaß-
ten und gefürchteten Alpen viel von ihren Schrecknissen verloren.

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