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Fragen wir uns nun: warum überall diese steife, gekün-
stelte, ceremoniöse Haltung? Warum auf allen diesen Bil-
dern die Beigabe von Krone und Scepter? "Was wollte der
Maler durch alles dies im Sinne seiner Zeit ausdrücken ? Die
mittelalterliche Dichtung wird uns hierüber den nötigen Auf-
schluss geben. Zunächst wollte der Maler durch die Aus-
stattung mit Krone und Scepter den Eindruck des Festlichen,
des Feierlichen hervorrufen, denn nur bei festlichen Gelegen-
heiten, nur an Feiertagen erschienen die Fürsten öffentlich
mit Scepter und Krone geschmückt1). Herz. Ernst 5911
heisst es:
In das münster frone
Der heiser under kröne
Bi der Jcüniginnen staont,
Als si ze höchgesite tuont.
Ein bisckof vor in messe sanc.
Weiter dachte sich der Maler in dem Kaiser und König ge-
wissermassen das Reich selbst verkörpert. Wie Gott, wie
Christus als der Herr des Himmels, als der „himelkänec" hin-
gestellt wurde, so der Kaiser und der König als der Herr
der Welt. Der deutsche König, wenn er vom Pabst in Rom
zum römischen Kaiser gesalbt war, trug auf sich den Inbe-
griff der obersten und allgemeinsten Fürstengewalt auf Erden,
und das nicht nur in den Augen Deutschlands, sondern der
Christenheit überhaupt; er besass nebst der Schirmvogtei über
die römische Kirche das 'dominium mundi', von ihm ging
aller Adel und alle Ritterschaft aus, von ihm galt, was Pf.
Konrad Karl den Grossen von sich sagen lässt2):
Ich haise der voget von Börne,
Aller werltliche chröne
di sculen mir sin unter tan.
262,7;
keisers genös,
ne tvart noch nie nechein geborn.
_____________ grave Rud. Db, 25;
1) Vgl. A. Schultz, das hü f. Leben zur Zeit der Minnesinger,
I. Th., S. 646.
2) Ruolantes liet von Wilhelm Grimm.
Fragen wir uns nun: warum überall diese steife, gekün-
stelte, ceremoniöse Haltung? Warum auf allen diesen Bil-
dern die Beigabe von Krone und Scepter? "Was wollte der
Maler durch alles dies im Sinne seiner Zeit ausdrücken ? Die
mittelalterliche Dichtung wird uns hierüber den nötigen Auf-
schluss geben. Zunächst wollte der Maler durch die Aus-
stattung mit Krone und Scepter den Eindruck des Festlichen,
des Feierlichen hervorrufen, denn nur bei festlichen Gelegen-
heiten, nur an Feiertagen erschienen die Fürsten öffentlich
mit Scepter und Krone geschmückt1). Herz. Ernst 5911
heisst es:
In das münster frone
Der heiser under kröne
Bi der Jcüniginnen staont,
Als si ze höchgesite tuont.
Ein bisckof vor in messe sanc.
Weiter dachte sich der Maler in dem Kaiser und König ge-
wissermassen das Reich selbst verkörpert. Wie Gott, wie
Christus als der Herr des Himmels, als der „himelkänec" hin-
gestellt wurde, so der Kaiser und der König als der Herr
der Welt. Der deutsche König, wenn er vom Pabst in Rom
zum römischen Kaiser gesalbt war, trug auf sich den Inbe-
griff der obersten und allgemeinsten Fürstengewalt auf Erden,
und das nicht nur in den Augen Deutschlands, sondern der
Christenheit überhaupt; er besass nebst der Schirmvogtei über
die römische Kirche das 'dominium mundi', von ihm ging
aller Adel und alle Ritterschaft aus, von ihm galt, was Pf.
Konrad Karl den Grossen von sich sagen lässt2):
Ich haise der voget von Börne,
Aller werltliche chröne
di sculen mir sin unter tan.
262,7;
keisers genös,
ne tvart noch nie nechein geborn.
_____________ grave Rud. Db, 25;
1) Vgl. A. Schultz, das hü f. Leben zur Zeit der Minnesinger,
I. Th., S. 646.
2) Ruolantes liet von Wilhelm Grimm.