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Schulz, Fritz Traugott
Typisches der großen Heidelberger Liederhandschrift und verwandter Handschriften nach Wort und Bild: eine germanistisch-antiquarische Untersuchung — Göttingen, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.3971#0060
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60

Ich saz uf einem sieine,
und dahte bein mit beine,
dar uf sazte ich den ellenbogen,
ich hete in mine hant gesmogen
daz kinne und ein min wange,
dö dähte ich mir vil ange,
wie man zer werlte solte leben.

Und worüber trauert unser grosser Lyriker? — denn,
dass er in Trauer versunken ist, das deutet der Gestus des
in die Linke gesenkten Hauptes an, welcher der der Trauer
ist — er trauert darüber, dass im Deutschen Reiche Gewalt
und Untreue herrschen, und Friede und Recht zum Tode ver-
wundet sind;

untriuwe ist in der säze,
geivalt vert uf der sträze;
vride unde reht sint scre wunt.

Das entsprechende Bild der Weingartner Hand-
schrift1), welches die üeberschrift H-WALTH-V-D • VOGEL-
WAIDE- trägt, und von welchem das in Bezug auf die Beziehung
zur Dichtung Gesagte in demselben Masze gilt, wie von dem
der Pariser Liederhandschrift, zeigt den Sänger ebenfalls in der
oben beschriebenen Positur, nur fehlt die grosse, unförmliche
Schriftrolle, wodurch die Handbewegung der Rechten als eine
unmotivierte erscheint; darnach gewinnt es den Anschein, als
sei auf dem Bilde der Urhandschrift, aus welcher beide Künst-
ler geschöpft, der Schriftzettel irgendwie angebracht gewesen*).
Im übrigen ist die Darstellung in beiden Handschriften die
gleiche; nur ist das Schwert in der Weingartner Handschrift
auf die andere Seite des Hügels gestellt8). Auch hier lässt
sich die Beobachtung machen, wie sehr unser Künstler be-
müht gewesen sein muss, einen engeren Anschluss an den
Text zu erreichen; denn wenn es in der angeführten Strophe
heisst:

1) Auf S. 144.

2) Vgl. A. von Oechelhaeuser, a.a.O. S. 185.

3) A. Springer im Repertorium für Kunstwissenschaft, XI, §.331,
 
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